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EDITORIAL Die Welt hat sich verändert Hatten wir uns noch im Frühjahr 2022 über die Corona Lockerungen und die Aussicht auf das Verschwinden der Pandemie gefreut, so änderte sich die Stimmung mit dem russischen Angriff auf die Ukraine schlagartig. Hätte jemand von uns wirklich für möglich gehalten, dass wir in Europa wieder einen Krieg erleben? Zu lange haben wir die „Wohlfühl-Politik“ der letzten 20 Jahre genossen und uns zurück- gelehnt. Haben doch Historiker und Wissen- schaftler immer wieder davor gewarnt, dass ein bewaffneter Konflikt aufflammen könnte und man sich dieses Umstands auch bewusst sein sollte. Die Warnungen wurden in den Wind ge- schlagen und wir wurden abhängig vom Gaslie- feranten Rusland. Wie wir alle spüren, verbunden mit großen finanziellen Anstrengungen und Entbehrungen. Und ausgerechnet jetzt erlebten wir den kältesten Dezember seit zehn Jahren. Dieses Beispiel der Ohnmacht zeigt deutlich, wir alle müssen wacher und aufmerksamer sein und uns viel mehr um unsere Belange aktiv küm- mern. Nachhaltige Produkte zu erschaffen, sie zu tragen und zu verbreiten ist jedenfalls ein guter Schritt in die richtige Richtung, um Verantwor- tung zu übernehmen. Ich wünsche Ihnen viel Freude und inspirierende Anregungen mit dem Magazin und seinen tollen Inhalten. Herzlichst Ihr How the world has changed! In spring of this year we were looking forward to relaxed Covid protocols, happy at the prospect that the pandemic might dwindle away. That mood changed dramatically with the Russian attack on Ukraine. Did any of us ever imagine that we would see another war in Europe? For too long, we reveled in the „feel-good“ politics of the past 20 years, complacent and passive despite the repeated warnings of historians and political scientists that an armed conflict could indeed flare up, that we should be aware of this possibility. Those warnings were lost in the wind and we became dependent upon Russia for our gas supply. As we have all now painfully realized, a realization fraught with financial and psychological costs. And now we are experiencing the coldest December for 10 years. The impotence of our current situation is a clear signal that we must all become more alert and at- tentive to actively pursue our interests. In any event, creating sustainable products, wearing and distributing them is an important step in the right direction, that of assuming responsibility for our future. I wish you enjoyable reading in our magazine and that you draw inspiration from its content. Yours sincerly Otto Kersten Editor Otto Kersten Herausgeber 3

Impressum Herausgeber, Verlag und Anzeigen: Laudito GmbH Kleiststr. 9 53881 Euskirchen Telefon 0 22 55 / 94 11-0 Telefax 0 22 55 / 94 11-11 info@natuerlichnatur.com www.natuerlichnatur.com Geschäftsführung: Claudia Kersten, Otto Kersten Zur Zeit gültige Anzeigen- preisliste Nr. 16 Redaktion und Beiträge: Harriet McConnell, Norbert Henzel, Stefanie Hütz, Clau- dia Kersten, Otto Kersten, Volker Loos, Oliver Loos, Peter Wirtz Englische Übersetzung: Harriet McConnell Titelfoto: Apukuntur Erscheinungsweise 2 x jährlich Jahres-Abonnementpreis Deutschland 10,00 € frei Haus Ausland 10,00 € plus Versand Einzelheft 6,00 € plus Versand Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktionsleitung Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH 53340 Meckenheim Papier und Produktionsbe- dingungen dieser Zeitschrift sind FSC-zertifiziert a n a L : o t o F Nachhaltigkeit ist inzwischen fest im Mindset der Menschen verankert. Das Segment Mode kann davon profitieren, da definitiv an großen Anschaffungen gespart wird und Bekleidung einen hohen psychologischen Stellenwert hat. 4 INHALT Mode Herbst/Winter 2023/2034 „Mutmacher Mode“ Eskapismus aber auch Haltung zeigen liegen im Trend Seite 6 Internationale Messen INNATEX 51 Altbekannte Pioniermesse für Green Fashion mit vielen Neuheiten vom 21. bis 23. Januar in Hofheim-Wallau Seite 50 natürlich natur unterwegs Äthiopien-Reise und Bericht von der Africa Sourcing and Fashion Week Seite 58 Handelsmarketing Aktiv durch die Saison – vorordern und nachsteuern: der Mix macht’s Seite 64 Klimaschutz und Kosten- management Seite 70 „Grüner“ Versicherungs- schutz Seite 76 Wissen / Umwelt / Feuilleton Greenwashing und Polyesterrecycling Seite 80 Die Geschichte der Kleidung Seite 84

e k s l e o V a n n A : o t o F Über 200 Brands und sechs DesignDiscoveries erwarten das Fachpublikum auf der 51. INNATEX vom 21. bis 23. Januar 2023 in Hofheim-Wallau Seite 50 Energiesparen: was muss, was kann der Handel jetzt tun? Seite 70 Gut vorplanen und doch flexibel bleiben: In der Saisaon bedarfsgerecht reagieren Seite 64 Plastik aus dem Meer fischen und aufarbeiten – kann das überhaupt funktionieren? Seite 80 5

HERBST/WINTER 2023/2024 Mutmacher Mode Zum Herbst/Winter 2023/24 liegen Eskapismus, aber auch Haltung zeigen im Trend Die Marktforscherin Birgit Langebartels leitet am Rheingold-Institut in Köln u.a. tiefenpsychologische Studien zur Befindlichkeit der Bevölkerung. Und sie bemerkt: „Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawandel – die nicht enden wollen- den Herausforderungen machen die Menschen mürbe, sodass sie auch in einer ganz persönlichen Energiekrise stecken.“ Fashion for fortitude Opposites attract: escapism and steadfastness are trends for fall/winter 2023/2024. Birgit Langebartels, market analyst at Rhein- gold-Institut in Cologne, conducts indepth psychological studies of German consumers. Her current conclusion: „Pandemic, war in Ukraine, climate change – the never-ending succession of bad news is wearing down con- sumers, creating a personal energy crisis.“ 6

HERBST/WINTER 2023/2024 Handgestrickter Pullunder aus Wolle/ Seide kombiniert mit einem winterlichen Blumendruck. Kleid: 100 % Viscose ECO Vero (Lenzing) Art-Deco inspirierter f arbenfroher Druck: Kleid aus 100 % ECO Vero Jersey (Lenzing) Herbstlicher Blätterjacquard in klassischer Farbstellung: Jersey 100 % Baumwolle Kurze Bermudashorts aus Boiled Wool 100 % Merinowolle RWS mit Ringelshirt GOTS zerti- fiziert, 100 % Organic Das Gespenst des Ungewissen gehe um und sei mit einer diffu- sen Angst verbunden. „Reicht es, ein bisschen zu sparen oder wird es möglicherweise zu Blackouts beziehungsweise einem Zusam- menbruch der Wirtschaft kom- men? Das sind Fragen, die sich viele Menschen derzeit stellen. Wobei Inflation und Co. die Haushalte bisher sehr unter- schiedlich treffen: Während sich die einen bereits in Existenznot befinden, haben andere erheblich mehr finanzielle Möglichkeiten. Die Bedrohungen spüren jedoch alle. Die gegenwärtige Lage rüttelt bei jedem am Fundament, und so wird vieles auf den Prüfstand gestellt.“ Die guten Nachrichten: Zum einen sei das Thema Nachhaltig- keit inzwischen fest im Mindset der Menschen verankert. Zum anderen könne das Segment Mode möglicherweise profitieren, „da definitiv an großen Anschaf- fungen gespart wird und Beklei- dung zudem einen hohen psycho- logischen Stellenwert hat“. Pla- katives Beispiel: Die Ukrainerin- nen, die sich selbst unter ihren 8

FALL/WINTER 2023/2024 Blumiges Kleid aus ECO Vero Viskose (Lenzing) kombiniert mit einem kurzen Pullunder aus gekochter Merinowolle (RWS) Modelle und Fotos: Himalaya www.himalayaclothing.com The specter of uncertainty accompanied by a diffuse sense of fear is at loose. “Will it be sufficient to save a little or are we facing blackouts and economic collapse?” These are the questions many are currently confronting. And this in- dependent of how inflation + co has actually affected them. Because whereas some households are already facing an existential threat, others can draw on significantly larger financial resources. But a sense of threat joins them all. The current situation is shaking the very foundations of daily life. In this light, almost everything is being reeval- uated.“ The good news: on the one hand, sustainability is now undeniably a given in people's mindset. On the other, fash- ion may come out a winner in this sea- son of uncertainty: while big-ticket ac- quisitions are out, clothing has a com- paratively low cost/effect ratio with a large psychological impact. A striking case in point: Ukrainian women. De- spite their adverse situation, they con- tinue to use make-up and fashion to their advantage, to be as attractive as possible. As another way of saying: you can't get us down. Clothing functions in both directions: it makes a statement and it acts as self-affirmation. It fortifies 9

HERBST/WINTER 2023/2024 Strickjacke lang meliert - 100 % Schurwolle (Lambswool) - muslin free. Farbe dunkelpetrol, Fertigung Litauen / Ballonkleid Gravage - 100 % Baumwolle (kbA) - Farbe roibusch, Fertigung Dänemark / Dreieckstuch ZickZack - 100 % Baumwolle (kbA) - Farbe dunkelpetrol, Fertigung Dänemark 18 Basic Hoodie - 100 % Baumwolle (kbA) - GOTS. Farbe henna, Fertigung Türkei Trachtenjacke - 100 % Schurwolle (Lambswool) - muslin free. Farbe basalt, Fertigung Dänemark / Ballonkleid - 95 % Baumwolle (kbA), 5 % Elasthan - GOTS. Farbe dunkelpetrol, Fertigung Türkei

widrigen Umständen schminken und attraktiv zurechtmachen, de- monstrieren auch auf diese Weise, dass sie sich nicht unterkriegen lassen. Bekleidung bietet Halt und zeigt Haltung. Sie kann dem Träger helfen, sich gut und Auf- gaben gewachsen zu fühlen. Sie kann zu Lebensfreude, Stabilität, Selbstwirksamkeit und Kontrolle beitragen. Sie spiegelt Facetten der Persönlichkeit wider und wei- teres mehr. Ecofashion-Handel und Mar- ken sollten diesen Mehrwert kommunizieren und die Konsu- mentinnen und Konsumenten durch die Krise begleiten, indem sie selbst als verlässlicher, vertrau- ensvoller Vorreiter und Mutma- cher vorangehen. „Was unterneh- men wir, um einen Beitrag für eine zukunftsfähige und nachhal- tige Gesellschaft zu leisten? Das gilt es, herauszustellen“, betont die Diplom-Psychologin des Rheingold-Instituts und fügt hin- zu: „Gerade jetzt ist es wichtig, die Menschen wieder aus ihrem Schneckenhaus herauszulocken und Signale der Zuversicht zu senden.“ Genau das macht die Mode zum Herbst/Winter 2023/24. „Optimismus ist derzeit womög- lich der alles entscheidende He- bel“, schreiben die Experten der TUB Unternehmensberatung in ihrem „Women Season Forecast“. Im ‚Men Season Forecast H/W 2023‘ nennen sie es sogar einen „Akt der Notwehr“, sich ange- sichts der aktuellen Rahmenbe- dingungen phasenweise von der Realität abzukoppeln und ein bisschen wegzuträumen aus dieser Welt. Bevor man dann wieder die Ärmel hochkrempelt und sich den Herausforderungen stellt. Das sind die Trends im Detail: DOB Es sind vielschichtige Tendenzen, die die neue Womenswear prä- gen, und die eindeutig mit den aktuellen Rahmenbedingungen in Einklang stehen. Key-Items wie (vegane) Lederjacken, Cargo- Hosen und Biker-Boots demons- trieren Kraft, Entschlossenheit und Selbstbewusstsein. Parallel dazu ist der stilistische Wandel hin zu femininen und emotiona- len Impulsen, sind der Wunsch nach dem gewissen Mehr, nach unbeschwerter Stimmung und Dekoration sowie die Lust aufs 20

FALL/WINTER 2023/2024 its wearer to feel good enough to meet any challenge. It can contribute to a joie de vivre, a sense of stability, self-em- powerment and control. Fashion shows facets of personality, and perhaps much more. Eco-fashion retailers and brands would do well to communicate this add- on value, inspiring confidence in con- sumers by their own trustworthiness and reliability. „What can we do to con- tribute towards a sustainable future for our society? Highlighting our personal answer serves an important function.“, emphasizes the psychologist of Rhein- gold-Institut, adding, “ Now is the time to draw people out of their snail's shell with optimistic signals.“ And that is exactly what fashion does in fall/winter 2023/24. „Opti- mism is currently most likely a deciding factor“ claim TUB Unternehmensber- atung experts in their „Women Season Forecast“. They go even further in their (Bild links) Kleid Kornelia, 95 % Viscose, 5 % Elasthan Eco Vero Lenzing, VEGAN (Mitte) Kleid Mara 50 % Schurwolle Mulesing free, 50 % kbA Baumwolle Made in EU (rechts) Mantel Senta, Wollfilz 80 % Schurwolle, 20 % kbA Baumwolle, Made in EU Modelle und Fotos: LANA www.lana-organic.de Sie finden uns auf der INNATEX Stand OG 133 modeagentur TIMM · T +49 (0) 40-238 31 25-0 · service@modeagentur-timm.de · www.modeagentur-timm.de 21

HERBST/WINTER 2023/2024 Kuschelweich und kleidsam Auf legere Art schick zeigen sich die neuen Looks von naturalmente. Trendgerecht treffen Schwarz, Weiß, Offwhite und Grau auf die Palette der Edelsteintöne: Topas, Rubin, Amethyst, Saphir und Malachit. Modelle und Fotos: naturalmente by Schweikardt www.nm-fashion.de Schickmachen nicht zu überse- hen. Die TUB Unternehmens- beratung gliedert die Trends in drei Themen. „Like a Gentle- man“ heißt das erste, das von Konfektion geprägt ist. Maskuli- ne Dessinierungen wie Glen- checks und Nadelstreifen cha- rakterisieren Blazer, Hosenanzü- ge, Trenchcoats und Wollmäntel. Als Blazer-Alternative tritt die Kastenjacke auf. Die Silhouetten setzen auf Volumen, Lässigkeit und Coolness. Auch Hemdblusen in uni oder gestreift zählen zu den angesagten Styles. „Like a Lady“ hingegen steht für schmalere, körperbetontere Schnittführung. Sowohl Jacken, Mäntel und Westen haben hier einen gewissen Schliff, ob aus Wolle oder in Stepp-Qualitäten. Röcke treten in Minilängen auf, was Strumpfhosen wieder mehr Bedeutung verschafft. Kleider, Oberteile und Tops zeigen sich reizvoll mit Cut-outs und Asym- metrien. (Veganes) Leder, Samt und Satin mischen tatkräftig bei den Materialien mit. Graphics, 22

FALL/WINTER 2023/2024 „Men Season Forecast“, elevating op- timism to an „act of self preservation“: occasionally stepping back from a bleak reality to dream oneself into another world - as preparation for rolling up ones sleeves to meet the day's challenges. Here the details: Women's wear Women's wear is marked by multi- faceted trends, all of them related to the current political and economic sit- uation. Key items such as (vegan) leather jackets, cargo pants and biker boots demonstrate strength, determination and self-confidence. At the same time, there is a clear stylistic tendency towards femininity and emotional impulses, the desire for that extra something, for light- heartedness, decoration, a predilection for dressing up. TUB Unternehmens- beratung identifies 3 sub-themes. „Like a Gentleman“ is the first, dominated by tailoring. Masculine patterns such as glen-check and stripes characterize blazers, pants-suits, trench and woolen coats. Boxy jackets offer an alternative to blazers. The silhouette is one of vol- ume, casualness, coolness. Button-down shirts in solids or stripes are among the trendy styles. In contrast, „Like a Lady“ calls for a slimmer, body-focussed silhouette. In this subset, jackets, coats and vests, whether wool or quilted, emphasize the cut. Skirts trend towards mini lengths, offering a bigger role for hosiery. Dress- es, shirts and tops add allure with cut- outs and asymmetric shapes. (Vegan) leather, velvet and satin are important fabric options. Graphics, animal prints including leopard and snake, as well as black-and-white patterns decorate both blouses and slacks, among which stovepipe slacks in solids are also an option. Neither theme, „Like a Gen- tleman“ nor „Like a Lady“ is mutu- ally exclusive or stand alone but does well in a mix. It is this combination of cool and feminine which will likely be the mark of the new fashion season. According to TUB trend scouts, the look subsumed as „Like a Traveler“ can be characterized by one word: un- complicated. A few outfit examples: the feminine floral print dress in mini length, a leather jacket complete with lamb trim, and rustic tie ankle boots. Cargo pants (at times ultra wide) or a 23

FRÜHJAHR/SOMMER 2023 Sommerliche Lässigkeit für den Mann: Leinenhose kombiniert mit Leinen-T-Shirt und Jacke aus Bio-Baum- wolle mit leichtem Elasthan-Anteil Modelle und Fotos: Living Crafts www.livingcrafts.de Kombination aus hochwertiger Biobaumwoll-Popeline, Pullover aus hochwertigem Mischgewebe aus Bio-Baumwolle, Bio-Wolle, Alpaka und recyceltem Polyamid Hose aus Biobaumwoll-Popeline, Pullover aus hochwertigem Mischgewebe aus Bio- Baumwolle, Bio-Wolle und Alpaka, leichter Anteil an recycel- Tiermuster wie Leo und Schlange sowie Schwarz-Weiß-Dessins zie- ren Blusen und Hosen, bei denen die Zigarette auch in Uni eine gute Figur macht. Beide genann- ten Themen – „Like a Gentle- man“ und „Like a Lady“ – sind aber keineswegs losgelöst und streng getrennt voneinander zu sehen, sondern durchaus auch im Mix. Die Mischung aus Coolem und Femininem dürfte ein Kenn- zeichen der neuen Mode-Saison werden. Die Looks hinter „Like a Tra- veller“ sind laut der TUB-Trends- couts vor allem eins: unkompli- ziert. Einige Kombinationsbei- spiele: das feminine Blumen- druckkleid in Minilänge zu Le- derjacke samt Lammfellbesatz und derben Schnürstiefeletten. Die Cargo-Hose (mitunter ultra- weit) oder der Cargo-Rock zu Ba- sic-Strick. Der Baumwollanorak zu Jeans und Combat-Reitstie- feln. Die Jeans zeigen sich dabei in Form der weiten Geraden, von Bootcut oder Flared. Neben klas- sischem Blue Denim sind Black und Grey, Raw und Rinsed sowie Deko-Denim (u.a. mit Laser- oder Stickmotiven) mit von der Partie. Denim wird teils auch von Kopf bis Fuß getragen. Cordho- sen (und -jacken) lassen sich wie- der blicken. Das Jackenspektrum reicht darüber hinaus von Parka und Fieldjacket über Caban- und Teddy-Styles bis zu Puffer-Pieces und Karo-Mänteln. Was Deko- ration anbelangt, so kommen Ikat-Muster, generell Ethno-Mo- tive, und Paisleys u.a. auf Klei- dern und Hosen zum Tragen. Edel und beruhigt geben sich die Farben, ohne gegenüber den Vorsaisons an Kraft zu verlieren. Denn sie gewinnen an Tiefe. Edelstein-Töne sind an erster Stelle zu nennen, die wichtigsten sind Türkis, Malachit, Topas und Saphir, Amethyst und Purpur, Rot-Nuancen von Rubin über Granat bis Koralle sowie Bern- stein. Bei den Neutrals wird An- thrazit wichtiger, gerade bei den maskulinen Dessins, hier zeigt es sich tatsächlich Grau-in-Grau und weniger als Kombipartner zu Farbe. Diese Rolle kommt eher Schwarz zu (das aber durchaus auch allover getragen wird) sowie Camel, das sehr harmonisch zur Vielzahl der satten Edelstein-Far- ben wirkt und rund um die Car- go-Thematiken ebenso relevant wie Oliv ist. Auch Braun und Co- gnac bieten sich als Sparringspart- ner an. Orange, Senf, Avocado und Senf setzen Akzente. Silber, Stein und Elfenbein steuern Hel- ligkeit bei. Mint, Gitane, Flieder und Lachs sind erste Vorboten für den Sommer 2024. 24

SPRING/SUMMER 2023 Vielseitigkeit für den kommenden Sommer: Hose aus TENCELTM und edlem Leinen kombiniert mit Leinen-T-Shirt und Jacke aus Bio-Baumwolle mit leichtem Elasthan-Anteil FRÜHJ SO 2023 AHR MMER t ab Lager v er or sof keine V oror der wnot fügbar endig cargo skirt with basic knitwear. A cot- ton anorak plus jeans and combat rid- ing boots. The shapes in jeans trend to- wards wide and straight, but also boot- cut and flared. Colors range from classic blue denim to black and gray, raw and rinsed as well as deco-denim (embel- lished with laser cuts or embroidered motifs). Denim can be worn from top to toe. Corduroy slacks (and jackets) experience a revival. Jackets range from parka and field jackets to caban- and sherpa styles, including puffed pieces and plaid coats. Decoration comes as ikat-prints, ethnic motifs in general, and paisleys, and are seen on dresses and slacks. Colors are calm and classy but just as powerful as in previous seasons: they have gained depth. Primarily gem tones are visible. Among the most important are turquoise, malachite, topaz, sap- phire, amethyst, crimson, red ranging from ruby to garnet to coral, as well as amber. Among neutrals, charcoal is on the upswing, especially for masculine patterns where it shows up as gray-in- gray and less as a partner to color. The latter role falls to black (which can also be worn head to toe) and camel, which has a harmonizing effect on many of the saturated gem tones but is also as relevant as olive in cargo themes. Brown and cognac are sparring partners. Or- ange, mustard, and avocado are accents. Silver, stone, and ivory add luminance. Mint, gitane blue, lilac and salmon are early heralds of summer 2024. %10 MESSE I N N A TTTABR T E X A ST AND G O761 livingcr afts. de 25

HERBST/WINTER 2023/2024 Strickjacke Emilia, 100 % Schurwolle (Lambswool) muslin free, Farbe caramel, Fertigung Litauen. Foto: Heidekönigin, www.heide- koenigin.de Pulli Jana,Wolle- Baumwolle Rippe 52 % kbA Baumwolle 48 % kbT Schur- wolle, Mulesing free, GOTS, Made in EU Foto: Lana www.lana- organic.de HAKA Sportive Einflüsse, schon in den letzten Saisons unverkennbar, sind in der Herrenmode zum Frühjahr/Sommer 2023 so domi- nant wie nie zuvor. Der Fahrrad- markt boomt, und die Branche sattelt auf, verbindet Mobilität mit Fashion-Anspruch. Neben Bike-tauglichen Outfits zeugen Club- und College-Themen, Active-Beach-Looks und Surfer- Styles mit Baggy-Bermudas und Resortshirts davon, wie sehr der Sport, aber auch Urlaubsfeeling in Mode sind. Kräftige Farben, sommerliche Pastelle, Seaside- Stripes, Fun-, Pop-Tropical-, Ba- tik- und Sundowner-Prints ver- sprühen Lebensfreude und Op- timismus, die viel zu lang im Lockdown waren. Mit Surfboard, Strandtasche, Sonnenhut und - brille lässt sich all das, so das TUB-Team, am POS stim- mungsvoll inszenieren. Cross Dressing steht weiter- hin hoch im Kurs. Der Wind- breaker zu modernen Formal- Pants, abgerundet durch Run- ning-Sneaker, oder karierte Prep- py-Slacks zu Campus-Hoodie und Varsity-Jacket sind Beispiele dieser saisonalen Looks. Der Fo- kus liegt auf Komfort und zwang- loser Zeitlosigkeit. Gefragt sind Allrounder, die vielfach kombi- nierbar sind und rund um die Uhr getragen werden können. Blousons und Hemdjacken erset- zen mitunter das Sakko, T-Shirt und Feinstrick das Hemd. Insbe- sondere Pullunder und Polofor- men sollten gut performen. Die Schnitte geben sich entspannt. Bei den Hosen bringen Bundfal- ten, Tunnel- und Gummizug be- queme Weite. Utility- und Workwear-Sty- les, Baggy- und Cargo-Pants, oversized Strick und nicht zuletzt das Overshirt sind darüber hinaus wichtige modische Begleiter: beim Caravaning in der Natur, aber durchaus auch im urbanen Dschungel. Das Farbspektrum spannt, wie in der DOB, einen weiten Bogen: Unaufdringlich und un- beschwert zeigen sich warme Sand- und Cameltöne, dazu jede Menge Weiß. Pastelle wie Bleu, Mint, Apricot, Rosa, Flieder spie- len themenübergreifend eine wichtige Rolle. Richtig farbig wird es mit Koralle, Mandarine, Sonne, Electric, Aqua, Capri, La- gune und Clubgrün. Die Welt der Wälder und Pflanzen bringen Agave, Khaki, Goldoliv und Apfel zum Ausdruck. Erd- und Ge- würzfarben wie Toffee, Muskat, Kastanie und Mokka runden die Range ab, bei der Schwarz nicht fehlen darf. Strick/Wirk „Wie sind Strick und Sweat – 26

FALL/WINTER 2023/2024 (großes Bild von Seite 7) Figurschmeichelnder Pullover in angesagtem Zopfmuster hand- gestrickt aus Wolle/Seide mit einem wadenlangen Jacquardstrickrock GOTS zertifiziert, 100 % Organic Foto: Himalaya www.himalayaclothing.com Kuschelweich und ungefärbt: Strickjacke ANNABELL aus Baby Alpaka und Pima-Cottonmix, Rollkragenpullover MADAI aus Baby Alpaka/Seide-Mix Foto: APU KUNTUR www.apukuntur.com hoodie and varsity jacket: these are ex- emplary looks of the season. The focus is on comfort in a relaxed, timeless at- titude. Allrounders are in demand, combinable in many ways and worn around the clock. Windbreakers and shirt jackets can replace the sports jack- et, a t-shirt or fine gauge knit can sup- plant the shirt. Knit vests and polo cuts should perform well. Cuts are relaxed. Slacks gain a comfortable width with waist pleats, draw-string and elastic waists. Utility and workwear styles, baggy and cargo pants, outsize knits and, last but not least, the over-shirt are impor- tant fashion partners. Especially when caravaning in the great outdoors, but equally appropriate for the urban jun- gle. 27 which also offer styles with gemstones, stitchings, rivet patterns and even patch variants. And there is still another potential slacks favorite waiting in the wings. Straight cut relaxed cargos (worn with a belly-free cropped top) have already conquered young girls' hearts. They are now set to complement the wardrobes of adult women. Green, orange, beige: these star roles have been assigned. They are supported by cyan, ocean blue, pink, a red tending towards orange, a bright but cool yellow, sea green and lagoon as well as lilac, purple and navy. That's the the strong and lively group. Calming agents are stone, white and black as well as sand, caramel, cognac, sage and khaki. Men's Wear Athletic touches, a staple of past sea- sons, are even more dominant in men's wear for spring/summer 2023. The market for bicycles is booming, feeding into a growing segment that melds mo- bility with fashion. In addition to outfits suitable for cycling, country club and college themes, active beachwear looks and surfer styles of baggy bermudas and hawaii shirts attest to the fact that leisure, but also a vacation feeling, is fashion. Bright colors, summer pastels, seaside stripes, prints in fun-, pop-, trop- ical, tie-dye and sundowner motifs – all evidence an optimistic lust for life that has been in lockdown for too long. This look is readily evoked at the POS, so the TUB-team, with surfboard, beach bag, sun cap and sunglasses. Cross dressing continues to be high on the agenda. A windbreaker worn with modern formal pants and rounded off with running sneakers, or checked preppy slacks worn with a campus

INNA TEXT Stand OG 132 unst-Metr ertigste Naturmode ertigste Naturmode Im Herzen der K whhoc whhoc ii V wUm gemeinsc kunja, Sei elt- und Sozialpr haften und de und pa im Süden P opole V er ere. V Pima Cotton. Ar equip erw arbeitet arbeitet erw fA fertigt nac h amme zur nac hhaltigen htern. ogr Alpaka Züc KUN den edelste Naturfasern den edelste Naturfasern erus designt und fertigt KUN A Alpaka Alpaka, fair und unterstützt - peruanisc und g Anden derun wie wie hhaltig För her

HERBST/WINTER 2023/2024 Harmonischer Farbmix: Serie LUNA aus 100 % Baby Alpaka Winterlich, weihnachtlich: schöne Farbtöne im Norweger-muster, reines Baby Allpaka, Serie NAVIDAD Weicher Ajourstrick aus feinem Baby Alpaka/Merino -Mix in melan- gierten Tönen, Serie HADIA zentrale Umsatzsäulen der jüngs- ten Saisons – in der anstehenden Order zu bewerten und zu ge- wichten?“ Diese Frage wirft der Women Season Forecast der TUB Unternehmensberatung auf, um sie dann gleich selbst zu beantworten: Aus Sicht der Ex- perten verlieren beide Artikel- gruppen, behalten aber „wohlge- merkt“ ein hohes Niveau. Strick- und Sweat-Looks von Kopf bis Fuß werden zwar „sicherlich noch zu sehen sein, … aber nicht mehr als Fokusthemen.“ Sweats bleiben sportive Zusteller, Shirts senden nachhaltige Botschaften. Volu- mige Ringelpulli zeigen sich u.a. zum Minirock, generell sind Blockringel und Colourblocking wichtige Gestaltungselemente. Der kleine Baumwollpulli bringt sich als perfekter Kombipartner ins Spiel, Pullunder und Opa- Cardigan setzen ihre Erfolgsstorys aus der letzten Zeit fort. Auch Strickkleider lassen sich blicken. Ebenfalls erwähnenswert: Hand- 30

FALL/WINTER 2023/2024 Pure Schönheit: ungefärbtes Alpaka der Serie NATURA Modelle und Fotos dieser Doppelseite: APU KUNTUR www.apukuntur.com The color spectrum is broad, just as it is for women's wear. Warm sand and camel hues are discreet and light- hearted, combined with lots and lots of white. Pastels including baby blue, mint, apricot, pink and lilac in all segments. Coral, tangerine, sun, electric, aqua, capri, lagoon and country club green add color zing. Mother nature's forests and plants are the source for agave, khaki, golden olive and apple. Earth and spice tones such as toffee, nutmeg, chestnut, and mocha round out the range, which must always include black. Knits „How are knits and sweats – pillars of the past seasons – to be weighted and assessed in the coming order?“ TUB Unternehmensberatung answers its own question in the women's wear season's forecast. Experts agree that both groups will decline but remain at a high level. Top to toe knit and sweat looks will „probably still be seen, ...but no longer as fashion focus“. Sweats continue to deliver a sporty message, shirts proclaim sustainable texts. Out- 31

HERBST/WINTER 2023/2024 M a g i s c h e , , t e r M u s darunter zahlreiche komplett neu entwickelte, aufwändige Jacquard-Motive, und Farben voller Freude: Dunque verströmt mit jedem Kleidungsstück – von Strickkleid und Hoodie-Jacke bis (Rollkragen-)Pullover und Cardigan – das Gefühl von heiler Welt. Modelle und Fotos: Dunque by Schweikardt www.dunque.de werkliche Optiken haben Hoch- konjunktur. Aufsteiger der letzten HAKA- Saison war der Pullunder, der ca- sual gestylt über dem T-Shirt ge- tragen wurde – und es weiter wird. Auch die Polo-Power nimmt kein Ende, die Artikel- gruppe erneuert sich über Retro- Strukturen, Längsstreifen oder durchgehende Knöpfung. Beson- ders „hip“: Open-Collar-Polos aus Frottierware oder Polo-Shirts im Tennis-Stil. Feinstrick präsen- tiert sich mit feinen Details und dezentem Colourblocking. Ma- ritime Ringel, aber auch Athletic Stripes sowie die College- und Club-Thematik prägen Strick, Sweats und T-Shirts, die mit Buchstaben, Ziffern und Wor- dings aufwarten. Schlichte Wohl- fühl-Hoodies in Pastellen sollten bei der Order ebenso wenig ver- gessen werden wie Batik- und Dip-Dyed-Dessins. Stefanie Hütz 32

FALL/WINTER 2023/2024 , sized striped sweaters are combined, for example, with mini skirts. In general, block stripes and color blocking are im- portant design elements. The small cot- ton sweater outs itself as a perfect part- ner; vests and granddad cardigans con- tinue their success story. Knit dresses are still around. Worth mentioning: handcraft details are booming. The rising star of the past men's wear season was the vest, casually styled over a t-shirt. That will not change. There is no end in sight for polo-power. This group is renewed with retro surface structures, vertical stripes and top-to- bottom buttoning. Especially „hip“: terrycloth open collar polos as wells as tennis polo shirts. Fine gauge knits come with fine details and discrete color block- ing. Maritime as well as athletic stripes and college- and country club themes are big for knits, sweats and t-shirts. Also available: letters, numbers and wordings. Simple feel-good hoodies in pastels should not be forgotten in the order, together with tie-dye and dip-dye designs. Stefanie Hütz 33

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WARE UND SORTIMENT Alle heutigen Wollschafe stammen vom armenischen Mufflon ab. Im Frühjahr und Herbst verlieren die meisten Tiere ihre Haare und tauschen das warme Winterfell gegen eine leichte Sommerbehaarung und umgekehrt. Wolle in der Frühzeit Das Haarkleid der Tiere besteht i.d.R. aus zwei verschiedenen Haararten, dem sichtbaren Ober- oder Deckhaar, und dem Unter- oder Wollhaar. Dieses ist dichter und feiner und dient der Tempe- raturregelung. Im Frühjahr und Herbst verlieren die meisten Tiere ihre Haare und tauschen das war- me Winterfell gegen eine leichte Sommerbehaarung und umge- kehrt. Diese augefallenen Woll- fetzen wurden schon in der Stein- zeit gesammelt und z.B. als wär- mendes Polstermaterial verwen- det. Mit der Sesshaftigkeit kam die Haustierzucht und man konnte den Tieren die losen Haa- re leicht auszupfen, was schnell erledigt und für die Tiere schmerzfrei ist. Mit der Erfin- dung von Schneidwerkzeugen ging man dazu über, die Tiere zu scheren. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass alle heutigen Wollschafe vom armenischen Mufflon abstammen. Bildliche Darstellungen aus Vorderasien le- gen nahe, dass es dort schon seit mindestens 7000 Jahren Woll- schafe gibt. Hierzu waren züch- terische Maßnahmen erforderlich, denn die Wildschafe tragen nur ein relativ kurzes Haarkleid. Fun- de aus der Schweiz belegen, dass in Mitteleuropa mindestens seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. Wolle in größerem Umfang verarbeitet wurde. Verarbeitung Schafe sind die wichtigsten Woll- Lieferaten, und es muss seit langer Zeit bekannt sein, dass Wolle vom lebenden Tier die besten Qualitäten zur Weiterverarbei- tung liefert. Je nach Rasse und Region werden die Tiere ein- oder zweimal geschoren. Bei der Schur muss darauf geachtet wer- den, dass die Wolle „am Stück“ bleibt. Das so gewonnene Mate- rial nennt man Vlies. Außerdem darf das Schaf nicht verletzt wer- den. Waschen Die Rohwolle enthält deutliche Verschmutzungen und pflanzli- che Rückstände. Früher wurden die Schafe daher vor der Schur durch Wasser getrieben, um sie grob zu reinigen. Das gewonnene Vlies wird auf seine Qualität, Far- be und Verschmutzung geprüft und aufgeteilt, bevor es eine scho- nende Wäsche erhält. Für ökolo- gisch einwandfreie Qualitäten wird hierbei natürlich auf chemi- sche Zusätze verzichtet. Wasser, Seife und Soda lösen Verschmut- 42

WARE UND SORTIMENT Je nach Rasse und Region werden Schafe ein- oder zweimal geschoren. versponnen und dann zu Stoffen weiterverarbeitet. zungen und einen großen Teil des Wollfettes (Lanolin) aus dem Vlies heraus. Ein Anteil an natür- lichem Restfett ist wichtig, denn er hält die Fasern weich und ge- schmeidig. Kardieren Nach dem gründlichen Trocknen wird das Vlies gezupft, danach müssen die Fasern ausgerichtet werden. Diesen Vorgang nennt man kardieren. Der Begriff leitet sich von „carduus“ ab, der Distel. Die Blätter der getrockneten Pflanze haben harte Spitzen, mit denen früher die Wolle bearbeitet wurde. Später nahm man mit kleinen Häkchen versehene Höl- zer mit leicht gewölbter Unter- seite und Handgriff, so genannte Handkarden. Die Wolle wird auf und über die Häkchen gezogen, dabei wird die Kräuselung etwas geglättet und die Fasern auseinan- dergezogen, ähnlich wie beim kämmen. Das Ergebnis ist ein Flor oder Vliesstoff. Bereits im 18. Jahrhundert gab es Patente auf Kardiermaschinen, die die mühsame Arbeit übernahmen. Spinnen Als nächster Schritt in der Pro- duktionskette wird die kardierte Wolle versponnen. Die kurzen Fasern der Wolle werden mitei- nander verdreht und gezogen, da- bei entsteht ein zunächst grober Faden, der sich immer weiter ver- längert und dabei dünner wird. Je länger der Vorgang dauert, des- to dünner wird der Faden. Mit dem fertigen Garn kann man dann stricken, häkeln oder we- ben. Heute werden die Prozesse natürlich maschinell erledigt. Ge- rade beim Spinnen können sehr hohe Qualitäten erreicht werden, die die Herstellung feinster Stoffe ermöglichen. Die besten Quali- täten werden zu feinem Kamm- garn, die groberen Fasern zu dem etwas voluminöseren Streichgarn 43

Wollsorten Schafwolle wird in verschiedene Qualitätsstufen eingeteilt, die sich in erster Linie auf die Faserlänge und den Durchmesser beziehen. Für hochwertige Textilien wird fast ausschließlich Schurwolle ver- wendet, so dass andere Qualitäten hier außer Acht gelassen werden. Die drei wichtigsten Sorten sind Merinowolle, Crossbredwolle und Cheviotwolle. Das Merino-Schaf wurde im 14. Jahrhundert in Spanien ge- züchtet und liefert eine ausgespro- chen feine und stark gekräuselte Wolle. Die Faser hat eine Stapel- länge (Faserlänge) von 50 bis 120 mm und einen Durchmesser von 15 bis 23 μm. Merinowolle eignet sich für alle feinen Textilien aus den Bereichen Oberbekleidung und Wäsche. Crossbred-Schafe sind Kreu- zungen aus Merinos und anderen Arten. Ihre Wolle ist weniger stark gekräuselt, 24 bis 30 μm dick und weist eine Faserlänge von 125 bis 150 mm auf. Diese Wolle wird für etwas grobere stra- pazierfähige Kleidungsstücke ver- wendet. Cheviotwolle stammt von verschiedenen Schafarten. Es ist eine grobe, leicht glänzende Wol- le. Das robuste Material eignet sich gut für Teppiche oder Be- zugsstoffe. Die Fasern sind stark, lang und weisen nur eine geringe Kräuselung auf. Eigenschaften der Wolle „Was gut ist gegen die Hitz‘, ist auch gut gegen die Kält‘.“ Nun ist der Wintermantel bei Tempe- raturen von 38 Grad im Schatten nicht wirklich hilfreich, aber Wol- le ist tatsächlich eine Faser für alle Jahreszeiten, denn sie ist ein aus- gezeichneter Thermoregulator. Durch die starke Kräuselung der einzelnen Haare befindet sich bis zu 85 Prozent Luft in den fertigen Textilien. Diese Luft wirkt als iso- lierender Puffer, speichert die ab- gestrahlte Körperwärme und gibt sie dem Träger zurück. Ideal im Winter. Feuchtigkeit wird hingegen aufgenommen und schnell nach außen abgeführt. So kann Wolle bis zu 30 Prozent Feuchtigkeit aufnehmen ohne sich nass anzu- fühlen. Ideal im Sommer und für Sportbekleidung, zudem Wollar- tikel auch sehr schnell trocknen. Die Kräuselung ist für die Leichtigkeit und Elastizität der Stoffe verantwortlich und sorgt für einen einzigartigen Tragekom- fort. Diese spezielle Faserstruktur macht Wolle auch für Schutzklei- dung interessant, da sie nicht brennt sondern nur verkohlt. Der leichte Fettanteil der hingegen sorgt dafür, dass die Stoffe kaum knittern, nur schlecht Gerüche annehmen und relativ schmutz- abweisend sind. Oliver Loos WARE UND SORTIMENT Vom Schaf über das Vlies zur Wolle 44

HERBST/WINTER 2023/2024 Mollig warm durch Herbst und Winter Fotos: pickapooh www.pickapooh,de 45

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KINDERKLEIDUNG UND UNTERWÄSCHE Schon seit der Gründung von Cosilana 1994 Firmen-Philosophie. Jeder von uns kann dazu beitragen, die Umwelt zu entlas- ten! Vermeiden wir, was vermieden werden kann. Qualität – und das kann nur heißen, auch ökologische Qualität – muss vor Quantität gehen! Wenn vielen Mitmenschen ökologische Zusammenhänge in der Textilherstellung bewusster werden, schaffen wir gemeinsam eine gesunde Wechselbeziehung zwischen Lebewesen und der dafür so wichtigen Umwelt – klimaschonend, transparent und fair produziert. 47

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Altbekannte Pioniermesse für Green-Fashion mit vielen Neuheiten 51. INNATEX vom 21. bis 23. Januar 2023 in Hofheim-Wallau Neben einem voll belegten Messe- center Rhein-Main mit über 200 Brands und sechs DesignDiscoveries erwarten das Fachpublikum mehrere Programm- Specials auf der 51. INNATEX. Im Januar präsentiert die Internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien moderierte Talks, besondere Aktionen, neu gestaltete Flächen. e k s l e o V a n n A : s o t o f e s s e M e l l A 50

There is much to look forward to for trade visitors in January: in addition to a fully booked Messecenter Rhein- Main with over 200 brands and 6 DesignDiscoveries, INNATEX 51, the in- ternational trade fair for sustainable tex- tiles, has planned a range of innovations, including hosted lectures, special initiatives and newly designed areas. Acclaimed pioneer green fashion fair presents innovations INNATEX 51 January 21-23, 2023 in Hofheim-Wallau INNATEX 51 · 21. bis 23 Januar 2023 · www.innatex.de 51

INNATEX „Die fortwährende Weiteren- twicklung einer nachhaltigen Textilwirtschaft wollen wir mit neuen Formaten und Partner:in- nen fördern,“ sagt Alexander Hitzel, Projektleiter der INNA- TEX. “Wir wollen konkrete In- halte und Anregungen für Busi- ness-Strategien liefern. Denn Nachhaltigkeitsprojekte sind nur dann wirklich nachhaltig, wenn sie sich auch als Geschäftsmodell tragen.” Panel-Talk: So wird Nach- haltigkeit in der Mode zum Erfolgsfaktor Eine Kooperation mit dem Han- delsverband Hessen (HDE) und dem Green Knowledge Magazin ermöglicht die gezielte Ansprache von Händler:innen mit Mehrw- ert. Moderiert von Cynthia Blas- berg, Chefredakteurin Green Knowledge, wird ein Panel-Talk unter dem Titel “Sustainable Fashion als Erfolgsfaktor im Han- 52

INNATEX „We support the ongoing development of the sustainable textile industry with new formats and new partners“, claims Alexander Hitzel, project manager for INNATEX. „We want to supply both content and inspiration for business strategies. Because sustainability pro- jects are only truly sustainable when they can survive as a business model.“ Panel discussion: sustain- able fashion as a factor for success Created in cooperation with Han- delsverband Hessen (HDE: German trade association) and Green Knowledge magazine, this event will target retailers, focussing on sustainability as a value add-on. Cynthia Blasberg, editor-in- chief of Green Knowledge, will host a panel discussion under the title „Sus- tainable fashion as a success factor in the retail trade: where to begin“ , offer- ing detailed information. The panel will include sales representatives from HDE and other professionals. Mirjam Smend, a well-known partner from the B2C-fair GreenStyle and the new slow- INNATEX 51 · 21. bis 23 Januar 2023 · www.innatex.de 53

INNATEX del – Wie anfangen?” Informa- tionen vermitteln. Das Panel findet mit Vertreter:innen des HDE und weiterer Parteien statt. Mirjam Smend von der B2C- Messe GreenStyle und dem neuen Slow-Fashion-Magazin Pureviu ist ebenfalls wieder dabei. Auf einer neuen Fläche im Obergeschoss wird sie Lounge- Talks mit jeweils mehreren Ex- pert:innen über die Messetage hinweg moderieren. Neben dieser neu aufgesetzten Community Area werden auch die DesignDis- coveries zu finden sein Die Auswahl der DesignDiscoveries sei gar nicht so leicht gewesen „Die Anzahl der Bewerbungen hat seit Corona wieder einen 54

INNATEX fashion-magazine Pureviu, will again be a part of the program, moderating ongoing lounge talks with a range of experts on a newly created space on the upper floor. DesignDiscoveries will be placed adjacent to this newly designated community area. The selection of DesignDis- coveries is not at all simple „The number of applications for De- signDiscovery status has taken another substantial leap since Covid“, according to Hitzel. „We are pleased at the prod- uct variety, ranging from stunning wom- enswear in certified cotton to multiply certified handbags and boots made of felt.“ Yet another innovation: „ For some time now, we have wanted to make a contribution to benefit refugees. Today we have found a committed partner in the humanitarian relief organization Europe Cares. Together we are orga- INNATEX 51 · 21. bis 23 Januar 2023 · www.innatex.de 55

INNATEX beachtlichen Sprung nach oben gemacht“, so Hitzel „Wir freuen wir uns auf die Vielfalt, die von wunderschöner DOB aus zerti- fizierter Baumwolle über mehrfach zertifizierten Taschen und Stiefeln aus Filz reicht.“ Und es gibt noch eine Neuigkeit: „Wir wollen schon seit längerer Zeit einen Beitrag für flüchtende Menschen leisten. Jet- zt haben wir in der humanitären Hilfsorganisation Europe Cares wir einen engagierten Partner ge- funden, mit dem wir eine Spendenaktion vor Ort organ- isieren. Aussteller:innen und Händler:innen sind eingeladen, ihre Überhangware aus den Lagern Bedürftige abzugeben.“ Die 51. INNATEX findet vom 21. bis 23. Januar 2023 in Hofheim-Wallau bei Frankfurt für am Main statt und hat damit wieder die alte Tagfolge von Samstag bis Montag. Ein Ausstellerverzeichnis, In- fos über das Programm und die DesignDiscoveries finden Sie auf INNATEX.de. 56

ÄTHIOPIEN Ausländische Investoren sind höchst will- kommen in Äthiopien, denn sie bringen technologischen Fortschritt, schaffen Arbeitsplätze, erwirtschaften Devisen für das Land und machen äthiopischen Produkte auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig. So ist die Entwicklung des textilen Sektors ein zentraler Bestandteil eines 10-Jahres- Planes der äthiopischen Regierung, in der das ambitionierte Ziel gesetzt wird, im Jahr 2030 jährlich 30 Milliarden Dollar mit Textil- exporten umzusetzen. Das Land soll zu einer Art „afrikanischem Bangladesch“ werden. Was Nachhaltigkeit angeht, läuten da natür- lich sofort alle Alarmglocken. Wir wurden eingeladen, uns in zwei chinesischen Produk- tionsstätten selbst ein Bild zu machen. 59

NATÜRLICH NATUR UNTERWEGS Kingdom Im Regionalstaat Oromia, ca 90 km südöstlich von Addis Abeba, im Adama Industrial Park errich- tete in 2019 Kingdom Ethiopia Linen Plc diese neue Fabrik. Es ist dreimal so groß wie 1999 ge- gründete Werk der Muttergesell- schaft in China, eine Spinnerei spezialisiert auf Leinen und Hanf- garn, in China GOTS zertifiziert, in Äthiopien ist das ebenfalls ge- plant. Bei unserem Besuch im November verarbeiten bei King- dom Ethiopia 1.300 Menschen 5.000 Tonnen Leinen pro Jahr. Dabei handelt es sich nur um die erste von drei Ausbaustufen. Ziel- größen sind 4.500 Arbeitsplätze mit einer Gesamtproduktionska- pazität von 20.000 Tonnen. Der Empfang ist sehr freund- lich, wir können uns frei bewegen und offen mit allen Angestellten dort sprechen. Vom anfänglich 30-köpfigen chinesischen Ma- nagement haben bereits 20 äthio- pische Landsleute übernommen. Es gibt klare, transparente Aus- bildungs- und Karriere- und Ver- gütungspläne für alle. Die Arbei- ter und Arbeiterinnen erhalten das ca. 3-fache des in Äthiopien durchschnittlich gezahlten Lohns, kostenloses Frühstück, günstige Werks-Kantine und Unterkunfts- möglichkeiten. Jason Ren Zhong von Kingdom zeigt uns den Rohstoff 60 Eric Sun von Kingdom präsentiert uns das Garn Äthiopische Angestellte in der modernen Hightec Spinnerei

ÄTHIOPIEN Shangtex Die zweite Besichtigung führt uns an den Rand von Addis Abe- ba in die Nähe des internationa- len Flughafens Bole. In Zusam- menarbeit mit der Weltbank wird dort zur Zeit in der Bole Lemmi II Industrial Park entwi- ckelt - spezialisiert auf Bekleidung und Textilien. Dort hat Shangtex Holding Co. Ltd., Chinas zweitgrößtes Textilunternehmen, ein vollstu- figes Werk errichtet, dass mehr als 4.000 Arbeitsplätze schaffen soll. Aktuell sind es knapp 3000 Arbeiterinnen und 218 Arbeiter. Man müsse sich überhaupt nicht um Arbeitskräfte bemühen. Das Management erzählt uns,, dass täglich arbeitssuchende Menschen vor den Toren der Fa- brik Schlange stehen. Einige Führungspositionen sind bereits mit Äthiopiern besetzt. Shangtex Garment Manufacturing Ethio- pia PLC ist seit Juli 2022 GOTS zertifziert. Die Manger von Shangtex Ethiopia Wu Jun und Tesfaye Mulu Asmamaw erklären uns die Größenkontrolle Viel Platz macht es möglich, Maschinen aussschließ- lich für die Produktion nach GOTS zu betreiben. Jede Abteilung hat eine eigene Farbe, hier zum Beispiel ist alles blau Der Leuchtkasten offenbart verlorene Maschen 61

NATÜRLICH NATUR UNTERWEGS O-Töne von der Africa Sourcing and Fashion Week November 2022 Vom 4.-7. November 2022 fand im Skylight Hotel in Addis Abeba die 8. Ausgabe der Africa Sourcing and Fashion Week (ASFW) statt. Mehr als 250 Aussteller und ein hochkarätiges Konferenzprogramm, unter anderem mit der Konferenz des Global Organic Textile Standards (GOTS) unter dem Motto „Towards An African Value Chain “ lockten mehr als 4.000 Besucher aus aller Welt in die Äthiopische Hauptstadt. Erfreulicherweise hat Nachhaltige Entwicklung nicht nur bei der ASFW ihren Platz, mit Unter- stützung der Äthiopischen Regie- rung und Internationalen Part- nern. So hat das äthiopische In- dustrieministerium (MoI) und die äthiopische Investitionskom- mission (EIC) haben sich mit der GIZ zusammengetan, um 11 in Äthiopien ansässige Unterneh- men unter dem Motto "Äthio- pien Tamrit" zu unterstützen, um im Rahmen des Projekts "Nach- haltige Industriecluster" stärkere Geschäftsverbindungen zwischen lokalen Unternehmen und inter- nationalen Käufern zu fördern und zu erhalten. In seiner Eröffnungsrede er- klärte der Industrieminister Me- laku Alebel: "Die äthiopische Re- gierung hat bedeutende Refor- men durchgeführt und ihre Un- terstützung für Textil- und Be- kleidungsunternehmen unter Be- weis gestellt. Trotz aller Heraus- forderungen hat sich Äthiopien eine günstige Position in der glo- balen Wertschöpfungskette erar- beitet und bleibt eines der afrika- nischen Länder mit den größten Produktionskapazitäten, die den Anforderungen der Käufer ge- recht werden können. Wir möch- ten die treibenden Kräfte kanali- sieren, um die Exporte auf die in- ternationalen Märkte sowohl qua- litativ als auch quantitativ zu stei- gern.“ Daniel Teresa, stellvertreten- der Kommissar der äthiopischen Investitionskommission, ergänzte die Ausführungen des Ministers: "Unser Ziel ist es, auf früheren Messen aufzubauen und zu zei- gen, dass die äthiopischen Insti- tutionen und der Privatsektor entschlossen sind, ihre Kräfte zu bündeln, um das 'Äthiopien- Tamrit' in Afrika und darüber hi- naus zu fördern. Die Erleichte- rung der Geschäftstätigkeit, recht- liche und sektorale Reformen und die Öffnung der Wirtschaft für ausländische Direktinvestoren sind Ausdruck des Engagements der Regierung, mehr Investitio- nen anzuziehen und das Wachs- tum des Privatsektors zu fördern." 62

ÄTHIOPIEN 63 Skander Negasi, CEO des Messeveranstalters drückt es so aus: "Wir werden uns weiterhin für direkte Beschäftigung in Afri- ka sowie für eine sichere und nachhaltige Produktion einsetzen. Wir haben die 8. ASFW-Messe mit dem Gefühl verlassen, dass das zunehmende Engagement von Marken und Regierungen, den freien Handel auf dem Kon- tinent zu fördern und mit der In- dustrie zusammenzuarbeiten, um die Umweltauswirkungen in der gesamten Lieferkette zu reduzie- ren, uns bestärkt hat. Die ASFW wird nicht nur immer ein speziel- les Zentrum für nachhaltige Be- schaffung sein, sondern auch ein dynamisches Forum für den Aus- tausch von Best Practices zum Nutzen aller.“

SORTIMENTSPLANUNG Aktiv durch die Saison Vorordern und nachsteuern: Der Mix macht‘s Slow Fashion: Die ecofairen Marktakteure setzen der schnell- lebigen und damit wenig ressour- censchonenden Modebranche Entschleunigung entgegen. Posi- tiver Nebeneffekt: Diese Ausrich- tung erleichtert für entsprechend spezialisierte Händler auch die Saisonplanung erheblich. Wäh- rend im konventionellen Handel teils Monatsprogramme und viel- fältig voneinander abweichende Kollektionsrhythmen verschiede- ner Marken auf die Fläche getak- tet werden (müssen), bleibt man im Ecofashion-Segment den klas- sischen zwei Saison-Kollektionen weitgehend treu. „Wir liefern zwei Saisons aus: Spring/Summer zu den Lieferterminen Januar bis März und Autumn/Winter mit Auslieferung August bis Oktober. Mitunter bieten wir zudem ergän- zende Capsule Collections, jedoch maximal zwei pro Jahr“, berichtet beispielsweise Juliana Holtzhei- mer, Co-Founder des DOB-La- bels Jan ´n June. Bei Lovjoi ist es ähnlich, nur das hier die Herbst- Winter-Mode zwischen Juli und September auf die Flächen kommt. Yvonne Ley, Head of Sales bei Lanius, bringt es so auf den Punkt: „Der Hauptteil unse- rer Vororderware, etwa 85 Pro- zent, wird im Februar und August an die POS geliefert.“ Gut vorplanen und doch flexibel bleiben Das ist überschau- und gut plan- bar. „Monatsprogramme braucht kein Mensch, und die Zukunft ist nicht hochmodisch“, ist Silvia Fili- 64

Montanini überzeugt, die im bayerischen Sonthofen den gut 100 qm großen Ethical Fashion Store „f4f.cc“ (ausgeschrieben Fa- shion for Friends) betreibt. Im Vorfeld einer neuen Orderrunde, so wie auch jetzt, nimmt die Ein- zelhändlerin zunächst eine grobe Limitplanung auf Stückzahlbasis vor. Dafür hat sie sich „ein eige- nes Excel-Tool gebastelt“. Das Gesamtbudget wird auf Marken, Stil- und Warengruppen, Preis- lagen und Größen sowie in ein Vor- und Nachorder-Budget auf- F m n e D : o t o i i o j v o L 65

Silvia Fili-Montanini, Inhaberin von „f4f.cc“ in Sonthofen, setzt auf den Mix aus etwa 80 Prozent Vor- und 20 Prozent Nachorder-Ware. Bild rechts: Bei „f4f.cc“ in Sonthofen wird wöchentlich neu dekori- ert, um für Spannung auf der Fläche zu sorgen. geteilt. „Ich bewerte jede Marke nach einer Saison beziehungswei- se vor der Order“, sagt die stu- dierte Textilingenieurin, die vor ihrer Selbstständigkeit in leiten- den Positionen in der Textilin- dustrie tätig war. Doch sie betont zugleich: „Die Entscheidung, wie die Gewichtung je Lieferant aus- fällt, treffe ich erst auf den Mes- sen. Ich bin offen genug, vorhe- rige Pläne auch nochmals anzu- passen, wenn bei der Sichtung der Musterteile und Kollektionskon- zepte sowie im persönlichen Dia- log andere Aufteilungen als er- folgsversprechender erscheinen.“ Ein professioneller Einkauf braucht die „Kombination aus Verstand und Emotion“, bestätigt auch die BTE-Publikation „Sai- sonplanung – Saisonverlauf: Ak- tion versus Reaktion“. Und er braucht die Kombination aus Vor- und Nachorder. Wichtig ist deshalb das sog. OTB-Budget (open to buy), um im Laufe einer Saison reaktionsfähig zu bleiben, also beispielsweise Bestseller und ausverkaufte Größen nachzuzie- hen oder Trends und Produkte zu stärken, die man bei der Vor- order möglicherweise zu wenig auf der Liste hatte. Eine pauschale Empfehlung zu den idealen Anteilen von Vor- und Nachorder gibt es laut BTE- Publikation nicht. Dort verweist man darauf, dass die Quote „von der Sortimentsstruktur und den von den Lieferanten angebotenen Kollektionskonzepten“ abhängt. Silvia Fili-Montanini setzt auf etwa 80 Prozent Vor- und 20 Prozent Nachorder. Sie erklärt: „Meine Hauptlieferanten Lanius, 66

SORTIMENTSPLANUNG So wird über das digitale Planungstool „eVolution Retail“ von Hachmeister + Partner geplant. Armedangels sowie Alma & Lovis haben inzwischen gut ausgebaute Lager und B2B-Portale.“ Mit an- deren Worten: Es ist Ware nach- zubekommen. „Wir planen im- mer circa zehn Prozent der Vor- order ans Lager“, bestätigt Yvonne Ley für Lanius. Lanius ist selbst auch Retailer und betreibt mehrere Multibrand-Stores in Köln. „Hier arbeiten wir in der Regel mit einem Nachorder-Bud- get zwischen zehn und 20 Pro- zent“, berichtet Yvonne Ley. In der Saison bedarfsgerecht reagieren „Wir bauen unser B2B-Nachor- der-Geschäft stetig weiter aus, und 2023 wird endlich ein B2B- Shop umgesetzt“, kündigt Juliana Holtzheimer für Jan ´n June an und ergänzt: „Neben der klassi- schen Nachorder nach dem Mot- to ‚first come, first serve‘ geben wir Bestseller häufig nochmals in Produktion, wodurch unsere Handelspartner ebenfalls profi- tieren.“ Sie betont jedoch auch: „In Zeiten wie diesen müssen wir aber gleichzeitig unsere Risiken möglichst minimal halten.“ Der Lagerumfang will also gut kalku- liert sein. „Händler können über unse- ren B2B-Shop bei uns das ganze Jahr sowohl Kollektionsware – übrigens auch aus vergangenen Saisons – als auch NOS-Artikel nachbestellen“, bekräftigt Verena Benz für Lovjoi und fügt hinzu: „Unser NOS-Angebot ist umfas- send: Basics, unsere komplette In- timates-Kollektion und auch De- nim sind permanent lieferbar.“ NOS bedeutet „Never out of Stock“ und zählt bei den meisten Herstellern inzwischen zum An- gebot. Dabei handelt es sich um erprobte Basicteile in zuverlässi- gen Qualitäten, die nach Abver- kauf einzelner Farben oder Grö- ßen jederzeit nachbestellt werden können. Was die NOS-Ware angeht, so wünscht sich Silvia Fili-Mon- tanini noch stärker „echte Klas- siker. Also die schwarze Strickja- cke oder Stiefelette, markant je Marke gestaltet“. Zudem ist sie der Meinung, die Eco-Fashion- Branche könne sich zumindest bei Services wie dem Renner-Pen- ner-Tausch auch etwas von den konventionellen Marktakteuren abschauen. „Tools wie diese müssten innerhalb der Saison noch deutlich stärker angeboten und genutzt werden.“ Die Sim- plicity AG beispielsweise (Marken Opus und Someday) hat eine händlerübergreifende Warenbörse gestartet. Artikel, die bei einem Händler weniger gut performen, werden an POS umgelagert, wo sie sich besser abverkaufen und umgekehrt. Auch das Händler- netzwerk Modehaus.de hat u.a. eine solche Warenbörse lanciert, bei der die Händler ihre Bestände untereinander vernetzen. Das Ziel: Zusatzumsätze, weniger Ab- schriften und zufriedene Kunden. Immer Bewegung im Store Dass es in der Ecofashion-Bran- che „nur“ zwei Saison-Kollektio- nen gibt, bedeutet auch: Es ist he- rausfordernder, über das ganze Jahr hinweg einen spannenden Sortimentsaufbau zu gewährleis- Fachlektüre Die BTE-Publikation „Saisonpla- nung – Saisonverlauf: Aktion ver- sus Reaktion“, die allerdings schon von 2014 ist, kann für 45 Euro zzgl. Versandkosten unter www.bte.de bestellt werden. Sie en- thält u.a. auch Abbildungen, wie eine Jahresplanung genau aussehen kann, und eine Checkliste für die Beurteilung von Lieferanten. 67

Die Intimates- Kollektion von Lovjoi ist per- manent lieferbar. Schwarz geht immer: aus dem NOS- Angebot von Lovjoi. Denims können bei Lovjoi jederzeit nachgezogen werden. ten und für Überraschung am POS zu sorgen. „Mein Inseason Management sind Events“, hat Silvia Fili-Montanini ihre Lösung gefunden. „Einmal im Monat präsentieren wir beispielsweise re- gionale handwerkliche Produkte, ob Keramik oder ein biologisches Ingwer-Getränk. Ein Store muss in Bewegung bleiben, daher de- korieren wir auch wöchentlich neu“, so die Händlerin. Christina Wille, Inhaberin von Loveco in Berlin, erläutert: „Wir steuern nach Wetterprognosen. Wird es warm, hängen wir kurze Sachen raus. Wird es regnerisch, rücken Regenjacken in den Mittelpunkt. Es ist wichtig, das Bild über die Saison immer wieder zu verän- dern, um auch Stammkunden wieder etwas Neues zu zeigen. Dafür haben wir Lagerplatz, mit dem wir diese Veränderungen be- wältigen können.“ Generell sollten auch Visual Merchandising, Werbung und Aktionen frühzeitiger Bestandteil der Saisonplanung sein. „Es wäre hilfreich, wenn auch unsere Lie- feranten schon zur Order ihre diesbezüglichen Strategien kom- munizieren würden“, wünscht sich Silvia Fili-Montanini und konkretisiert: „Auf welche The- men sie in ihren eigenen Online- shops den Fokus setzen werden und welche Aktionen, wie bei- spielsweise den Green Friday, sie planen.“ Unterstützung durch digitale Planungshilfen Wie die meisten ihrer Kollegen plant die Einzelhändlerin mithilfe ihrer eingangs zitierten Excel-Lis- ten, die sie täglich abgleicht. Spannend ist jedoch auch ein Blick auf die neuesten technolo- gischen Möglichkeiten, die zum Beispiel die Platzhirschhäuser des Modehandels inzwischen nutzen, beziehungsweise die in der Ent- wicklung sind. Engelhorn in Mannheim setzt als Pilotanwen- der ein cloudbasiertes, sortiments- übergreifendes Tool ein, das die Unternehmensberatung Hach- meister + Partner (h+p) und IT- Kooperationspartner Mobimedia für den Handel entwickelt haben. „eVolution Retail“ dient der Op- timierung der Warenplanung und –einsteuerung sowie für be- darfsgerechtes Inseason Manage- ment. Die sieben Engelhorn-Fi- lialen und der Onlineshop sind vereinheitlicht in das agile Pla- nungstool, das kundenindividuell konfiguriert werden kann, inte- griert. Das Procedere: Die Ge- schäftsleitung trägt zunächst die Umsatzziele samt Filialvorgaben für das gesamte Geschäftsjahr in die Planung ein. Die Bereichslei- 68

SORTIMENTSPLANUNG ter teilen die Vorgabewerte dann in Kategorien wie DOB und HAKA auf. Die Kreativeinkäufer wiederum nehmen qm-genaue Flächenzuordnungen vor, fügen die Marken- und Warengruppen- planung sowie ganz konkreten Li- mite ein. „Es ist kein Abtippen, Kopieren, Exportieren und Zu- sammenführen aus verschiedenen Listen mehr nötig“, freut sich Ves- na Adamovic, Head of Planning & Buying Operations bei Engel- horn. Unter anderem findet auch dicators) sind jederzeit einsehbar – auch im Vergleich zu den Vor- jahren, um passgenau zu handeln. Wie werden die Abverkaufsquo- ten und der Bestand am Ende des Monats oder der Saison sein? Auch das sind Fragen, die das Tool beantwortet, wobei die Da- ten vom Forecast wieder in die neuerliche Planung übernommen werden können und umgekehrt. Immer öfter hält Künstliche In- telligenz Einzug. So hat Hach- meister + Partner auch ein Tool Immer einiges auf Lager: Lanius. die Order-Erfassung durch die Einkäufer – welche Aufträge sie bei welchen Lieferanten mit wel- chen Einkaufsvolumina geordert haben – über das Tool statt. Das macht einen einfachen Vororder- abgleich mit den Plandaten mög- lich. Hat man genügend Blusen geordert? Den Einkäufern geht damit auf Messen und in den Showrooms der Überblick nicht verloren. Der im Verkauf erzielte Um- satz und die Kalkulation, der Bruttorohertrag, die LUG, die Abschriften und Retouren – all diese KPI (Key Performance In- mit dem Namen „NOS-Optimi- zer“ entwickelt. „Was jetzt mit der Ermittlung des Ideal-Bestands für NOS-Artikel beginnt, geht künf- tig in Richtung datenbasierter in- telligenter Prognosen für die Sai- son-Kollektionen noch deutlich weiter“, kündigt Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter von h+p an. Die Bielefelder arbei- ten im Rahmen geförderter For- schungsprojekte an Lösungen zur objektivierten Vorhersage von Bestsellern im Saisonverlauf und auch zum Umgang mit Re- touren. Stefanie Hütz Zum K uscheln v erführt! neuen F en t deck arbe en oduk passenden Pr e t t en höchs Ländle .“ and der Inna et G 58 G 58. x St E E

& Klimaschutz Kostenmanagement Energiesparen: Was muss, was kann der Handel jetzt tun? Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Es gilt – derzeit wohl in dieser Reihenfolge –, die Ver- sorgungssicherheit zu gewähr- leisten, die Kostenexplosion zu stoppen und das Klima zu schützen. Doch wo soll man an- fangen? Und welche Möglichkeiten gibt es über die, die gerade Eco- fashion-Händler längst ergriffen haben, hinaus? Die natürlich natur- Redaktion hat recherchiert und einen vielfältigen Maßnahmenmix zusammengetragen. 71

t d n u M e g e H l Loveco in der Körtestraße in Berlin-Kreuzberg, beleuchtet mit stromsparenden LED-Strahlern von Erco. : s o t o F Systematische Bestands- aufnahme Einen allgemeingültigen Master- plan gibt es leider auch rund um dieses Thema nicht, jedoch ist grundsätzlich ein ganzheitlicher, unternehmensweiter Ansatz emp- fehlenswert. Energieaudits nach DIN EN 16247 gelten Experten zufolge als ideale Grundlage, um zunächst einmal einen umfassen- den Überblick zu erhalten. Dabei werden Betriebe energetisch durchleuchtet, analysiert und Empfehlungen ausgesprochen, wie Energie eingespart werden kann. Bis hin zum letzten Leucht- mittel werden Energieflüsse sicht- bar gemacht. Es wird also die Fra- ge beantwortet, wofür wie viel Energie verbraucht wird. Einsparungen im zweistelli- gen Prozentbereich sind nicht sel- ten allein durch Achtsamkeit möglich. Modehändler Martin Bretterbauer, der vier Modege- schäfte in Lübben/Spreewald be- treibt und zuvor über 20 Jahre in der Energiewirtschaft tätig war, rät, einmal im Dunkeln durchs Geschäft zu gehen, um Energie- fresser zu identifizieren, wie z.B. leuchtende Displays, Geräte im Standby-Modus, aktiviertes Kun- den-WLAN oder eingeschaltete EC-Zahlungsterminals. Wichtiger Ansatzpunkt Beleuchtung Laut EHI-Studie „Energiemana- gement im Einzelhandel kom- pakt“ lag der Energieverbrauch im Nonfood-Handel 2021 durchschnittlich bei 154 kWh pro qm Verkaufsfläche, davon entfielen 38 Prozent auf Wärme und 62 Prozent auf Strom. Die Beleuchtung wiederum hat den höchsten Anteil am Stromver- brauch (55 Prozent). Klar also, dass man sie besonders im Blick haben sollte. „Durch die Sanie- rung konventioneller Beleuch- tungslösungen können hohe Ein- sparungen bei den Energiekosten erzielt werden. Wird die LED- Beleuchtung zusätzlich mit einem Lichtmanagementsystem und Sensoren kombiniert – etwa Prä- senz- und Tageslichtsensoren – beträgt das Einsparpotenzial ins- gesamt sogar bis zu 85 Prozent“, heißt es aus dem Unternehmen Oktalite Lichttechnik. Marlowe nature in Hamburg beispielsweise hat sukzessive auf stromsparende LED-Beleuchtung umgestellt. „Natürlich beziehen wir auch seit Eröffnung unseres ersten Stores vor 30 Jahren grünen Strom“, be- richtet Laura Ott, Head of Mar- keting im Familienunternehmen. Sie ergänzt: „Im Zuge der aktu- ellen Energiekrise haben wir zu- dem die Nachtbeleuchtung redu- ziert.“ Bei älteren LED-Anlagen kann sich der Lichtbranche zu- folge möglicherweise eine Sanie- rung ebenfalls lohnen, denn die Effizienzsprünge zwischen den LED-Generationen waren in den 72

ENERGIE SPAREN Marlowe nature, im Bild der Menswear-Store, setzt seit der Gründung auch auf eine möglichst nachhaltige und somit energie-effiziente Geschäftsausstattung. letzten Jahren erheblich. Doch nicht allein die Technologie ist entscheidend. Licht sollte zudem nur dort eingesetzt werden, wo es die menschliche Wahrneh- mung erfordert, wo es also tat- sächlich gebraucht wird. Ein ho- hes Helligkeitsniveau allein stellt ohnehin noch keine spannende, lebendige Beleuchtung sicher. Diese wird erst durch eine kon- trastierende Licht- und Schatten- wirkung erzielt. „Attraktive Kon- traste sind nur schwer zu erzielen, wenn man bereits von einem ho- hen Allgemeinbeleuchtungsni- veau ausgeht. Plant man hingegen aus dem Dunkeln heraus, lässt sich mit viel weniger Energieein- satz ein lebendiger, kontrastrei- cher Eindruck erzielen“, betont Cornelius Schippmann, Head of Marketing bei Lichtspezialist Bäro. Trifft die Beleuchtung aktuell meist von der Decke ausgehend auf die Böden, so empfiehlt Hei- ko Becker, Global Cluster Mana- ger Outdoor/Community bei Erco, einen ganz anderen Ansatz: „Damit ein Raum hell wirkt, müssen die Wände beleuchtet werden, denn diese befinden sich im direkten Sichtfeld der Konsu- mentinnen und Konsumenten. Wenn anstelle der Böden die Wände mit 100 Lux beleuchtet werden, erscheint ein Raum drei- bis fünfmal heller. Damit kann ungefähr die Hälfte der Energie eingespart werden, bei gleichzeitig besserem und gefühlt hellerem Raumbild“, macht der Experte aufmerksam. „Wir legen bereits seit Beginn unseres Unternehmens Wert aufs Energiesparen und nutzen zum Beispiel in unseren Stores LED- Lampen und energiesparende Ge- räte, weil uns Nachhaltigkeit ganzheitlich wichtig ist. Auch das Bewusstsein unserer Mitarbeiten- den für einen ressourcenschonen- den Energieeinsatz ist geschärft“, heißt es analog zu Marlowe na- ture auch bei Ecofashion-Händler Loveco in Berlin. Schon in der Vergangenheit hat sich dieses En- gagement bezahlt gemacht, und so auch jetzt, berichtet Inhaberin Christina Wille: „Im dritten Quartal 2022 machten Strom- und Heizkosten nur etwa ein Pro- zent unserer Gesamtkosten aus.“ Anpassung der Öffnungszeiten Loveco hat jedoch im aktuellen Krisenmodus weitere Maßnah- men ergriffen: „Wir haben tat- sächlich einen unserer vier Läden 73

Auch im DOB-Store von Marlowe nature stehen Energieeffizienz und somit Nachhaltigkeit ganz oben. in den Winterschlaf geschickt, was natürlich die Energiekosten senkt, auch wenn dies nicht der Grund für die Entscheidung war. Der Store lief in den kalten Mo- naten immer deutlich schlechter als im Sommer. Ware, in diesem Fall insbesondere Schuhe, und Team bereichern solange die an- deren Flächen, auf denen zuvor ohnehin gerade Personalknapp- heit herrschte.“ Auch die Öff- nungszeiten wurden bei Loveco „noch einmal evaluiert und leicht angepasst, da in der letzten Stun- de vor Feierabend nicht mehr vie- le Kundinnen und Kunden ka- men“. Es sind nicht wenige Händler, die aktuell in diese Richtung agie- ren. Wie das Magazin „BTE mar- keting berater“ berichtet, plant das Männer-Mode-Haus Wahl in Ertingen, in der sechsten Ka- lenderwoche 2023 nicht zu öff- nen. „Das ist die umsatz- schwächste Woche des Jahres“, so Markus Wahl. Außerdem kön- ne sein Team nach der Order- und Sale-Phase eine Verschnauf- pause gebrauchen. Schon im Au- gust wurde ein „Refresh-Tag“ ein- geführt, seitdem bleibt das Ge- schäft dienstags zu. Unter Ener- giekosten-Gesichtspunkten wäh- len andere den „Green Monday“, um Heiz- und Stromsysteme von Samstagabend bis Dienstagmor- Mehr Tipps und Tools Unter https://www.hde-klimaschut- zoffensive.de gibt es weiterführende Informationen und hilfreiche Tools, wie einen Energie- und einen Invest- Check, eine Übersicht über En- ergieberater in der Nähe sowie eine Förderdatenbank mit den wichtigsten relevanten Förderprogrammen. gen herunterzufahren. Steffen Jost, BTE-Präsident und Mode- händler mit fünf Filialen, mahnt jedoch: „Wir dürfen die Kunden nicht enttäuschen. Verlässlichkeit und Vertrauen sind wichtige Trümpfe. Wenn wir die Men- schen weiter erfolgreich zum Shoppen in die Einkaufsstraßen locken wollen, müssen wir wie gewohnt für sie da sein.“ Leider nicht mehr da ist das Kaufhaus Ekofair in Bremen, das Ende April 2022 dauerhaft ge- schlossen hat. Diese Aktion der Bremer hat natürlich kein Nach- ahmer-Potenzial, eine ihrer vor- herigen indes schon: In Koope- ration mit der regionalen Klima- schutzkampagne „#senkmit – Weniger CO2, mehr Zukunft“ war im Dezember 2021 eine Um- kleidekabine umgestaltet und in eine Fotobox verwandelt worden. Besucher konnten dort Selfies schießen, ihre persönlichen Kli- matipps teilen und an einem Ge- winnspiel teilnehmen. Die Kli- matipps von #senkmit waren auch im ganzen Store wiederzu- finden und machten auf die klei- nen Dinge aufmerksam, die jede und jeder im Alltag umsetzen kann. Kleine Dinge: Fast 90 Pro- zent der Einzelhändler hierzulan- de sind dem EHI Retail Institute zufolge Mieter. Sie haben also nur begrenzt Einfluss auf die Anla- genstruktur und somit größere energetische Sanierungsmaßnah- men. Was bedauerlich ist und ggf. zumindest intensivere Ge- spräche miteinander lohnt. Denn: Der Studie „Energiemanagement im Handel. Energieeffizienzpo- tenziale in den Gebäuden des deutschen Einzelhandels“ zufolge, die das EHI für die Deutsche Energie-Agentur dena erstellte, 74

ENERGIE SPAREN Herzlicher Empfang trotz energiesparend geschlossener Türen: Händler erhalten die Plakate (digital oder analog) kostenfrei bei der Klimaschutzoffensive des Handels. Rechtliche Rahmenbedingungen Türen zu, Geschäft offen: So lautet der Titel einer Plakataktion, die der Handelsverband NRW und die Kli- maschutzoffensive des Handels ges- tartet haben, um die Kundschaft zu sensibilisieren: Dunkle Storefronten und weniger einladende Eingangssit- uationen bedeuten in diesem Winter keineswegs, dass auch in puncto Shop- ping-Vergnügen die Lichter aus sind. Der ‚warm welcome‘ muss in Zeiten wie diesen nur mit anderen Mitteln signalisiert werden. Denn neue Verordnungen der Bundesregierung schreiben kurz- und mittelfristige Maßnahmen vor: Demnach ist für den Einzelhandel bis zum 28. Februar 2023 u.a. das dauerhafte Offenhalten von Ladentüren und Eingangssyste- men untersagt, sofern dadurch „ein Verlust von Heizwärme auftritt“ und die offenen Türen nicht zwingend als Fluchtweg erforderlich sind. Ebenso sind die Beleuchtung der Gebäude von außen sowie der Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen zwischen 22 und 16 Uhr des Folgetags verboten – auch hier mit Ausnahmen bezüglich Sicherheits- und Notbeleuch- tung. Die Schaufensterbeleuchtung in- des ist nicht tangiert. Die Mindesttemperaturen für „Arbeitsräume in Arbeitsstätten“ wurden gesenkt, sprich: Weniger heizen ist erlaubt. Experten zufolge spart jedes Grad weniger sechs Prozent En- ergie. Wird zur Wärmeerzeugung Erdgas genutzt, sind Gebäudeeigen- tümer darüber hinaus zu weiteren Maßnahmen verpflichtet, wie u.a. einer Heizungsprüfung und ab 1.000 qm beheizter Fläche einem sog. hydraulis- chen Abgleich der Heizungsanlage. wurden 73 Prozent der Gebäude, die vom kleinstrukturierten Ein- zelhandel genutzt werden, vor 1978 errichtet, also vor Inkraft- treten der ersten Wärmeschutz- verordnung. Nur vier Prozent entsprechen neueren Energie- standards, wie sie die Energieein- sparverordnung (EnEV) seit 2002 vorgibt. Das weitaus größte Po- tenzial schlummert also noch, beispielsweise in Photovoltaik-an- lagen, Wärmepumpen und Co. Stefanie Hütz 75

GRÜNER VERSICHERUNGSSCHUTZ „Grüner“ Versicherungsschutz Risiken verlässlich und nachhaltig absichern Das Sortiment ecofair. Die Geschäftsausstat- tung ressourcenscho- nend. Der Strom öko. Die Kontoverbindung bei einer nachhaltig agierenden Bank. Viele Unternehmen der Eco- fashion-Branche sind bereits ganzheitlich ak- tiv. Doch wie steht es um den Versicherungss- chutz? Auch in diesem Segment bewegt sich (allmählich) etwas. Die Versicherungswirtschaft ist eigentlich prädestiniert für nach- haltiges Handeln. Schließlich re- guliert sie u.a. Schäden an Immo- bilien und Sachwerten, die durch die zunehmenden Extremwetter- ereignisse entstehen. Klimaschutz müsste insofern in eigenem Inte- resse sein, sichert er doch letztlich auch das eigene Finanzvermögen. Gleichzeitig hat die Branche eine hohe Lenkungsfunktion. Durch die summierten Beiträge der Kun- den, die verwaltet werden wollen, ist sie eine der größten institutio- nellen Investorengruppen an den Kapitalmärkten. Wo das Geld hinfließt, kann es etwas bewegen. Dennoch ist, so sagen Experten, die Zahl der Versicherungsunter- 76 nehmen, die über ein systemati- sches Nachhaltigkeitsmanagement verfügen, zwar steigend, aber im- mer noch übersichtlich. Auf der Online-Plattform utopia.de sind cherer“, bestätigt Floriane Rei- chenberg, Geschäftsführerin von Greensurance®, einem Maklerbü- ro, das sich auf nachhaltigen Ver- sicherungsschutz spezialisiert hat Floriane Reichenberg, Geschäftsführerin von Greensurance® „Wir offerieren inzwischen nachhaltige Rundum-Sorglos-Pakete für Unternehmer.“ einige dieser Versicherer samt Er- läuterungen zu finden, von Bar- menia über Concordia oeco bis Pangaea Life. „Bis vor fünf Jahren gab es kaum nachhaltige Versi- und auch nur Unternehmen ver- sichert, die nachhaltig ausgerichtet sind, beziehungsweise die sich in einem glaubwürdigen Transfor- mationsprozess befinden.

Brände oder Naturelementschäden treten überraschend auf Von der Flutkatastrophe 2021 waren auch zahlreiche Modehäuser mit Schäden bis zu siebenstelligen Summen betroffen. Kriterien der Nachhaltigkeit Was macht einen Versicherer nachhaltig? Zum einen die Ge- staltung des eigenen Betriebs be- ziehungsweise der Geschäftspro- zesse. Zum zweiten das bereits er- wähnte Anlageverhalten. Fließen die Beiträge – überspitzt formu- liert – an Hersteller von Streu- und Atombomben, in Gentech- nik und Tierversuche oder in er- neuerbare Energien, ökologische Landwirtschaft, die soziale Wirt- schaft und Projekte von gesell- schaftlichem Wert? Wobei genau hier, gerade hochaktuell, bereits die erste Krux zu finden ist. Ver- sicherungsberater sind inzwischen gesetzlich verpflichtet, Interessen- ten nach ihren Präferenzen rund um das Thema Nachhaltigkeit zu fragen. Verlässliche Vorgaben in- des, was tatsächlich nachhaltige Finanzangebote sind, gibt es bis- lang kaum. Fragwürdig und min- destens diskutabel: Die EU-Kom- mission hat die EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem zur De- finition und Bewertung nachhal- tiger Wirtschaftstätigkeiten lan- ciert und darin Atomenergie und Erdgas als nachhaltig eingestuft. Das dritte Kriterium rund um das Thema „grüne Versicherungen“ ist die Schadenregulierung selbst, wenn der Versicherer beispiels- weise eine nennenswerte Mehr- leistung für die nachhaltige Wie- derbeschaffung der Betriebsein- Gottfried Baer, Geschäftsführer des Beratungshauses MehrWert „Erste Versicherer haben sich mit in- haltlich sehr guten Deckungskonzepten, insbesondere für Einzelhändler, auf den nachhaltigen Weg gemacht.“ richtung zahlt. Axel Wieczorek, Geschäftsführer des Katag Versi- cherungsdienstes, warnt an dieser Stelle vor Greenwashing bezie- hungsweise mahnt, genau hinzu- schauen. Seine Argumentation: „Schäden, beispielsweise an Ge- bäuden, werden ohnehin nach heutigen Standards reguliert, also unter Berücksichtigung des je- weils aktuellen Gebäudeenergie- gesetzes.“ Schäden verursachen jedoch auch selbst CO2-Emissionen. „Wir haben uns mit unseren Ver- sicherungspartnern daher darauf geeinigt, dass diese einen be- stimmten Teil der Schadensum- men in CO2-Ausgleichsprojekte investieren“, betont Floriane Rei- chenberg. Greensurance® hat eine gemeinnützige Gesellschaft, die 77

Die von Greensurance® gegründete „Stiftung – Für Mensch und Umwelt“ setzt eigene Klimaschutzprojekte um, wie die Renaturierung von Mooren. „Stiftung – Für Mensch und Um- welt“, ins Leben gerufen. Ein Teil der Umsätze fließt in die Stif- tungsarbeit. So werden Klima- schutzprojekte umgesetzt, wie die Renaturierung von Mooren. Ge- fördert durch die Bundesstiftung Umwelt (DBU) und in Koope- ration mit der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) entwi- ckelt, betreibt die Greensurance Stiftung zudem das Portal https://nativerating.de, das detail- lierte Versicherungsvergleiche un- ter dem Aspekt der Nachhaltig- keit vornimmt. 78 Greensurance® bietet als wei- teren Aspekt zudem Boni, also Preisnachlässe, für Versicherungs- nehmer, die auf Kleidung mit Nachhaltigkeitssiegel wie das GOTS-Siegel setzen. „Aktuell gibt es im Markt mehr nachhaltige Versicherungen für die private Absicherung als grüne Versicherungen für Unter- nehmen“, bemerkt Gottfried Baer, Geschäftsführer des Bera- tungshauses MehrWert. Er fügt hinzu: „Aber erste Versicherer ha- ben sich mit inhaltlich sehr guten Deckungskonzepten, insbeson- dere für Einzelhändler, auf den Weg gemacht. Wir konnten selbst in den letzten Jahren einige Versicherer bewegen, nachhaltige Tarife einzuführen.“ Rundum-Sorglos-Pakete verfügbar „Wir offerieren inzwischen Rund- um-Sorglos-Pakete für Unterneh- mer“, unterstreicht Floriane Rei- chenberg. „Diese reichen von der Inhalts- und Betriebshaftpflicht- versicherung bis hin zur betrieb- lichen Altersversorgung. Letztere hat jeder Arbeitgeber seinen Mit- arbeitern anzubieten, was vielen Unternehmern allerdings noch gar nicht bewusst ist.“ Das leitet zu der Frage über, welcher Versicherungsschutz für Ecofashion-Händler empfehlens- wert ist. Beim Katag-Versiche- rungsdienst handelt es sich um ein bereits 1923 als Abteilung des Einkaufsverbands Katag gegrün- detes, unabhängiges Maklerbüro, das speziell auf den Risikoschutz von Handelsunternehmen ausge- richtet ist. Axel Wieczorek sagt: „Moderne Versicherungskonzepte sehen einen umfassenden Schutz in Form einer Multi-Risk-Versi- cherung vor, die alle Sachschäden abdeckt, ob ausgelöst durch Ein- bruch, Feuer oder elementare Na- turgewalten wie Sturm, Starkre- gen oder Schneedruck.“ Hierzu macht Axel Wieczorek aufmerk- sam: „Wichtig ist, dass Händler, die ihre Ladenlokale gemietet ha- ben, nicht nur darauf achten, dass ihre eigene Geschäftsversicherung über diesen Elementarschutz ver- fügt, sondern auch die Gebäude- versicherung ihres Vermieters.“ Multi-Risk – was ist noch darin enthalten? „Als neue und immer wichtiger werdende Versiche- rungsform kam die Cyber-Risk- Versicherung hinzu, die sich dem Thema Angriffe gegen die IT widmet. Im Versicherungskon- zept der Katag für den Modehan- del ist sogar an das Thema Terror gedacht“, unterstreicht der Ge- schäftsführer des Katag Versiche- rungsdienstes. Und mehr noch? „Die Be- triebshaftpflichtversicherung, die eine exakte Betriebsbeschreibung

enthalten sowie eine Versiche- rungssumme von mindestens fünf Millionen Euro enthalten sollte. Darüber hinaus ist an die Ertragsausfälle im Schadenfall zu denken, die über die Betriebsun- terbrechungsversicherung abge- deckt werden können. Diese soll- te einen Zeitraum von 24 Mona- ten umfassen. Handelsunterneh- men ab mittlerer Größenordnung raten wir zudem zu einer Versi- cherung gegen Wirtschaftskrimi- nalität, früher hieß sie Vertrau- ensschadenversicherung. Zuneh- mende Bedeutung erlangt die Ab- sicherung von Vermögensschä- den für die Verantwortungsträger – die sogenannte D&O-Versi- cherung – zusammen mit einer Strafrechtsversicherung.“ Axel Wieczorek weist – last, but not least – auf einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Auswahl von Versicherungspartnern hin: „Wir beraten nicht nur im Vor- feld des Policen-Abschlusses, son- dern sind auch im Ernstfall echter Beistand. Wir sind über unsere Notfallnummer auch nachts so- wie an Feiertagen erreichbar.“ Stefanie Hütz Axel Wieczorek, Geschäftsführer des Katag Versicherungsdienstes „Es gilt aber auch, bezüglich Green- washing genau hinzuschauen. Nicht jeder angepriesene nachhaltige Versicherungs-Mehrwert ist tatsächlich einer.“ Es passiert immer wieder etwas Wie wichtig Versicherungs- schutz ist, Axel Wieczorek vom Katag Versicherungsdienst, er- lebt es jeden Tag und berichtet beispielhaft: 2016 brannte in Düsseldorf das Geschäft des Herrenausstatters Schäffner aus. In Wuppertal wurden die City- Arkaden wegen einer Bomben- drohung geräumt, im Münche- ner OEZ gab es sogar einen Amoklauf. Im Februar 2020 deckte Sturmtief „Sabine“ das Dach des Verwaltungsgebäudes des Modehauses „MeinFischer“ in Taucha ab. Im April 2020 be- reitete sich das Team von Beh- rens & Haltermann in Itzehoe gerade auf das ersehnte Ende des ersten Lockdowns vor, als im Schaufenster ein Schwelbrand festgestellt wurde. Die Folge: ein Millionenschaden, obwohl nichts zu sehen war. Nur zu rie- chen. Denn die Qualmwolke war durch die gesamte Fläche gezogen. Die Ware musste kom- plett an einen Verwerter abge- geben und neu beschafft wer- den. Axel Wieczorek kann inzwi- schen einige Geschichten erzäh- len: ob von der Flutkatastrophe 2021, einem Buchhalter, der sich jeden Monat 500 Euro mehr Gehalt überwies oder einer Verkaufsmitarbeiterin, die Kas- senbons erstellt hatte, um Bar- geld aus der Kasse zu entwen- den. Längst werden auch im Darknet vorkonfigurierte Cy- ber-Angriffe angeboten, mit de- nen sogar Personen ohne spe- zielle Computerkenntnisse eine digitale Attacke lancieren kön- nen, die für einen kompletten Technik-Stillstand sorgt. „Vor all diesen unkalkulierbaren fi- nanziellen Risiken sollten sich Händler schützen.“ FRÜHJ SO 2023 AHR MMER t ab Lager v er or sof keine V oror der wnot fügbar endig %10 MESSE I N N A TTTABR T E X A ST AND G O761 livingcr afts. de 79

Vielleicht lag es am Performance Shirt? Das Trikot der Firma Adidas, das hilft, „die Welt zu verbessern“. Gefertigt aus Ozeanplastik oder „Ocean Plastic“, wie es enthusiastische Start-ups lieber nennen. Exklusiv für die deutsche Fußballnationalmannschaft und ihre Fans und alle, die bis zum Herbst 2022 bereit waren, 140 Euro dafür auszugeben. Die Version ohne das coole „Ocean Plastic“ war schon für schlappe 90 Euro zu haben. Fachleute erinnern sich vielleicht noch an das Bayern München Awareness Shirt von Adidas aus dem Jahr 2019, das auch aus „Ocean Plastic“ hergestellt worden war. Von diesem Trikot wurde aber vermutlich nur ein einziges Exemplar für Fototermine herge- stellt, denn es verschwand kurz nach seiner Präsentation wieder aus den Medien. Beim Anpreisen des Perfor- mance Shirts sollten die Fans viel- leicht denken: endlich tut mal je- mand was, sammelt den Plastik- müll aus den Ozeanen. Damit die Fische wieder Plankton und nicht nur Mikroplastik zu fressen haben. Und aus dem eingesammelten Plastik werden dann noch schicke Trikots gemacht mit denen wir Weltmeister werden. Leider hat die Geschichte einige Haken. Die Trikots waren nicht für Gewinner gemacht und werden gerade ver- ramscht. Und bei dem Rohstoff „Ocean Plastic“ gibt es Unstim- migkeiten. GREEN WASHING 81

OCEAN PLASTIC Zuerst sollte hier überlegt werden, was „Ocean Plastic“ überhaupt ist. Eine Straßenbefra- gung ergäbe: wie der Name sagt, ist das aus Ozeanen herausgefisch- ter Kunststoff. Oder wird es eher an Meeresstränden eingesammelt? Oder ist es Plastik, das eingesam- melt wird, bevor es ins Meer ge- langt, z.B. in Ländern mit man- gelhaften Sammelsystemen? Das Argument: würde es nicht einge- sammelt werden, bekäme es zwangsläufig „Ocean Plastic“. Aber wer von uns würde Plastik- flaschen aus dem gelben Sack als „Ocean Plastic“ bezeichnen? Schauen wir uns diese „Mee- res“-Plastikabfällen am Beispiel von PET-Flaschen genauer an. PET (Polyethylenterephtha- lat) ist ein aus Erdöl hergestellter Kunststoff, der wie alle Kunst- stoffe aus langkettigen Polymer- ketten besteht. Langkettige Poly- mere sind für Eigenschaften wie hohe Festigkeit bei geringen Wandstärken und damit hoher Leichtigkeit der Flaschen verant- wortlich. Flaschen, die in Gewäs- sern herumdümpeln, durchlaufen komplexe Zersetzungsprozesse. Innerhalb von mehreren Mona- ten zerfallen sie in immer kleinere Bruchstücke bis hin zu Mikro- plastik (Partikel mit einem Durchmesser kleiner fünf Milli- meter). Verantwortlich dafür ist die über Wasser besonders inten- sive UV-Strahlung, welche die langen Polymerketten zerschießt und zusätzlich die zugesetzten Weichmacher, die PET gut form- bar machen, ausdünsten lässt. Die hohen Salzkonzentrationen der Meere, die mechanische Bean- spruchung durch Wellen sowie Mikroorganismen, die den Kunststoff besiedeln, setzen der Stabilität der Flaschen erheblich zu. Zudem wirkt Plastik wie ein Magnet für viele toxische organi- sche Schadstoffe (z.B. Pestizide), die quasi aus dem Wasser heraus- gesaugt werden und sich in dem Kunststoff konzentrieren. Plas- tikflaschen, die an den Stränden eingesammelt werden, enthalten - je nach Aufenthaltsdauer im Meer – ebenfalls mehr oder wenig hohe Konzentrationen an Schad- stoffen und sind dabei mehr oder weniger stark bröselig. Mikroplastik (kleiner 5 mm Durchmesser) aus dem Meer zu fischen ist ein hoffnungsloses Un- terfangen, denn die Sammelme- chanismen wie feine Netze setzen sich schnell zu. Nun zur Aufarbeitung. Auch bei PET-Flaschen aus dem gelben Sack muss für neue Fla- schen immer frisches PET zum geschredderten Altmaterial bei- gemischt werden, um akzeptablen Qualitäten zu erhalten. Stünden größere Mengen an aus dem Meer gesammelten Plas- tik zur Verfügung, gäbe es für eine Wiederaufarbeitung zu neu- en Produkten eine Reihe von Problemen. Die Polymerketten sind durch die beschriebenen Umwelteinflüsse so stark einge- kürzt, dass sich daraus keine neu- en Produkte, vor allem keine tex- tilen Fasern, herstellen ließen. Die Qualität würde nach Reinigung des Kunststoffs für Gegenstände wie Kämme, Anhänger oder Handyhüllen reichen, denen man stabilisierende Füllstoffe beimen- gen kann. Dies wäre jedoch kein Recycling sondern Downcycling. Um die langkettigen von den stö- renden kurzkettigen Polymermo- lekülen zu trennen, müsste der Müll verflüssigt und dann destil- 82

GREEN WASHING liert werden. Dafür ist ein so ho- her Energieeinsatz in Form von Erdöl oder Erdgas notwendig, dass damit eine größere Menge an „frischem“, langkettigen Po- lymeren hergestellt werden könn- te als durchs Destillieren. Und bei dem Prozess entsteht sehr viel Abfall in Form von kurzkettigen Polymeren. Je nachdem wie stark die Abbauprozesse des Plastiks im Meer vorangeschritten sind, müs- sen größere Mengen (mehr als 90%) frisches PET dazugeben werden, um ein stabiles Material zu erhalten. Somit stellt sich die Frage, wie nachhaltig die daraus hergestellten Produkte sind. Alternativ könnte der Kunst- stoffmüll in seine Monomere zer- legt werden, um daraus neue Po- lymere zu synthetisieren. Hierfür ist ein noch höherer Energieauf- wand nötig. Ein weiteres Problem sind die besiedelnden Mikroorganis- men. Diese stören zusätzlich die Aufbereitungsprozesse. In der Wochenzeitung „Die ZEIT“ (Nr. 48 vom 24.11.2022, S. 15-17) konnte ein Recherche- team nachweisen, dass es sich bei dem Performance Trikot von Adidas um Greenwashing reins- ten Wassers handelt. Ja, es gibt Umweltorganisationen, die Plas- tik von Meeresstränden sammeln. Mit „Parley for the Oceans“ hat Adidas für die Performance Tri- kots eine Partnerschaft geschlos- sen, die beim Marketing im Vor- dergrund steht. Diese Organisa- tion sammelt PET-Flaschen auf den Malediven ein. Dabei wird jedoch das Plastik auf den Inseln gesammelt, da es dort keine Pals- tikmüllsammlung (nach westli- chen Maßstäben) gibt. Das Re- chercheteam konnte zeigen, dass in den Performance Trikots null Prozent (und nicht wie suggeriert mindestens 40 Prozent) „Ocean Plastic“ von den Malediven ent- halten sind. Das für die Trikots verarbeitete PET stammt aus Thailand, den Philippinen und der Dominikanischen Republik und wird dort ebenfalls an Land gesammelt, auf den Philippinen meist von Kindern. Die gesam- melten PET-Flaschen werden ge- schreddert und in Taiwan zu „Ocean Plastik“-Garn verspon- nen. Bei Untersuchungen in einem Umweltlabor konnte gezeigt wer- den, dass das Adidas Performance Trikot bei der Wäsche in Haus- haltswaschmaschinen – vergli- chen mit Trikots aus neuem Ma- terial – besonders hohe Mengen an Mikroplastikfasern abgab. Wie schon vorher erwähnt, ist die Qualität von recycletem PET mit den Qualitäten von unbenutzem Material nicht zu vergleichen. Zusammenfassung Unter „Ocean Plastic“ verstehen Recyclingexperten etwas anderes als die Marketing-Abteilungen, die uns Produkte daraus verkau- fen. Aus dem Meer Mikroplastik einzusammeln funktioniert nicht. Aus dem Meer und von Stränden gesammelter Kunststoff kann downgecyclet werden, eine Stoff- und Energiebilanz für recyclte Kunststoffe aus diesen Quellen dürfte nicht überzeugend ausse- hen. Fasern aus recycletem Plastik sind in vielerlei Hinsicht ein gro- ßes Nachhaltigkeitspro- blem. Norbert Henzel 83

GESCHICHTE DER BEKLEIDUNG Kopfbedeckung? Bäh … Eine Kindheit in den Siebzigern. Im Winter musste der Autor dieser Zeilen, genau wie seine Mitschüler, eine gestrickte Pudelmütze anziehen. Tatsächlich hat diese den Kopf gewärmt, und wenn viel Schnee gefallen war und der Wind blies war sie auch wirklich angenehm. Aber bei acht Grad und Regen machte sie nur wenig Freude. Dementsprechend verschwanden die Mützen im Schulranzen, sobald man dem beobachtenden Blick der Mütter entkommen war – man hatte Mützen sind Klei dung ss tücke, d ie Kinder tragen müssen wenn d ie Mutter f r iert. den Kopf frei. Ansonsten kannte man Mützen oder Hüte nur von älteren Damen im Café oder von alten Her- ren mit Hornbrille, grauem Anzug und Hosenträgern, die ihren Kraft- wagen mit Tempo 60 über die Land- straßen lenkten. Andere Kopfbedeck- ungen sah man im Alltag nicht. Als Jugendlicher entdeckte ich als Ausdruck der eigenen Individualität die Baskenmütze, die allerdings die unangenehme Eigenart hatte jedes Jahr zu schrumpfen. Danach passierte lange nichts, lediglich Polizisten und Köche trugen Mützen, aber das war Berufs- bekleidung. Mützen und Hüte gerieten vollkommen ins Vergessen. Bis zu einem sonnigen Sommertag, der mir einen ordentlichen Sonnenbrand auf dem Kopf verursachte und mir schmerzhaft bewusst machte, dass die Haarfülle meiner Jugend endgültig dahin war. Was tun? Ich kaufte mir einen leichten Strohhut als Sonnen- schutz, und tauschte diesen im Winter gegen ein wärmeres Exemplar aus Filz gegen die Kälte. Man ahnt es bereits, es blieb nicht bei einem Hut. Und so gehöre ich heute zur kleinen Gemeinde der Hutträger, allerdings ohne Hornbrille und Hosenträger. 86 Vorzeit und Antike Wir können nur spekulieren, ob zu den ersten Kleidungsstücken, die unsere steinzeitlichen Vorfah- ren fertigten, auch Kopfbede- ckungen zählten. Es erscheint lo- gisch, dass Sie zumindest gegen die Kälte einen Schutz aus Fell getragen haben, vielleicht ähnlich wie eine Kapuze oder eine Kappe. Höhlenmalereien scheinen das zu belegen. Gesichert sind Hüte erst für die Zeit vor etwa 5000 Jahren. Sie waren zunächst Statussymbol für Herrscher und Priester. Pha- raonen trugen das gestreifte Ne- mes-Kopftuch und Kronen, ihre Mumien wurden mit gekrönten Masken bestattet. Auch die Kaiser von China wurden stets mit einer Kopfbedeckung dargestellt. Scha- manen setzten sich Federschmuck auf den Kopf und der Papst trägt heute noch die Mitra. Im Griechenland der Antike waren Kopfbedeckungen aller- dings Zeichen der kleinen Leute. Handwerker trugen eine randlose Filzkappe, Pilos genannt. Aus Makedonien kam die Kausia, eine flache Filzkappe, die sich unter griechischen Soldaten schnell ver- breitete und auch in der Freizeit als Sonnenschutz getragen wurde. Der vornehme Hellene hingegen ging barhäuptig, lediglich zum Reisen und Jagen setzte er einen breitkrempigen Hut auf, den Pe- tasos. Dieser wurde aus Stroh, Le- der oder Filz gefertigt und besaß ein Sicherungsband, mit dem er unter dem Kinn geschürt werden konnte. Der Götterbote Hermes wird meist mit einem geflügelten Petasos dargestellt. Der Römer von Welt trug ebenfalls keinen Hut. Lediglich bei Feiern und Zeremonien wur- de der Kopf bedeckt. Mit den Jahren wurde der Hut aber zum Symbol der Freiheit. So erhielten Sklaven einen Hut, wenn sie in die Freiheit entlassen wurden.

GUT BEHÜTET Im neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts waren Hüte ein absolutes Muss, wie das Bild einer Dame von Gustav Klimt zeigt ... ... und der Absinthtrinker von Edouard Manet zeigt, dass man damals selbst in Kneipen nicht oben ohne ging. Der Kastorhut, Vorläufer des Zylinders, war anfänglich kein Standessymbol Die Redewendung „den Hut nehmen“ bedeutet heute noch, gehen zu dürfen oder zu müssen. Ab dem zweiten Jahrhundert n.Chr. wurden im römischen All- tag immer häufiger Hüte getra- gen. Mittelalter Darstellungen aus Kleinasien aus dem siebten Jahrhundert n.Chr. zeigen das Reitervolk der Skythen mit einer Filzkappe, die weit über den Nacken reicht – gleicherma- ßen Schutz vor Sonne und Feind- einwirkung. In Mitteleuropa sind frühe Belege allerdings recht dürf- tig. Im 10. Jh. n.Chr. war ein Strohhut das traditionelle Erken- nungszeichen des Volks der Sach- sen. Im 14. Jahrhundert trug der einfache Mann eine Gugel, ein kapuzenartige Kopfbedeckung, die die Schultern bedeckte und am Hinterkopf einen langen Fortsatz wie eine Zipfelmütze hat- te. Aus ihr ging der Chaperon hervor, ein krempenloser Hut mit einer herabhängenden Spitze. Eine Variante des Gugel ist die Narrenkappe. Beim männlichen Adel waren auch andere Hüte üb- lich, eine Mode lässt sich daraus aber noch nicht ableiten. Frauen bedeckten die Haare zumeist mit Hauben aus Stoff. Wesentlich auffälliger war der Hennin, der sich aus dem Bur- gund kommend in ganz Mittel- uropa verbreitete. Das war ein ke- gelförmiger spitzer Hut, den wir 87

GESCHICHTE DER BEKLEIDUNG seit Kindertagen mit dem Burg- fräulein verbinden. Der Hennin ist ein Gestell aus Pappe und Draht, das mit feinen Stoffen be- zogen und mit Schleier, Bändern und Edelsteinen geschmückt wurde. Im ausgehenden 14. und 15. Jahrhundert war der Hennin der Hut der feinen Dame. Renaissance und Barock Kopfbedeckungen erhielten zu- nehmend eine wichtigere Bedeu- tung. Es entstand das Handwerk der Hutmacher, das die Bedürf- nisse der Kunden in Form brach- te. Im 15. und 16. Jahrhundert war das Barett zunächst Zeichen der gebildeten Stände. Die große, flache Kappe, meist aus Filz oder Stoff, konnte mit Schmuck oder Federn verziert werden. Das Ba- rett war so erfolgreich, dass es bald in allen gesellschaftlichen Schichten anzutreffen war. Mar- tin Luther war ebenso Barett-Trä- ger wie die Landsknechte. Heute findet man das Barett noch als Kopfbedeckung der Soldaten und als traditionelle Mütze der fran- zösischen und spanischen Hirten: die Baskenmütze. Die Menschen hatten zuneh- mend Freude am Hut, die Hut- macher ließen ihrer Kreativität freien Lauf. Sie entwickelten hö- here Hüte mit immer größeren Krempen, es wurden wertvolle Materialien wie Samt oder Biber- pelz verarbeitet. Die Damen ver- zierten die Hüte mit Bändern und Schleifen, die Herren zeigten mit Edelsteinen ihren Reichtum. Man ging nicht mehr ohne Hut, wenn man auf sich hielt. Die auf- kommende Perückenmode stellte die Hutmacher allerdings vor wachsende Probleme. Immer kunstvollere Frisuren verlangten nach größeren Hüten, die zuneh- mend unhandlich und unbequem wurden. Außerdem waren die Haarteile kostspielig, sodass ein Hut eher störte, da er die Frisur ruinierte. Hier half die Kreativität. Die Damen haben kleine modi- sche Hütchen mit einer Hutnadel an die Frisur geheftet, die Herren trugen den „Chapeau bras“, einen Hut, der fast nur unter dem Arm getragen wurde, meist ein kleiner Dreispitz. Der Schlapphut löste beim Militär das Barett ab. Im Bürger- tum waren Hauben die Kopfbe- deckung der Damen. Das einfa- che Volk hingegen trug einfache Kopfbedeckungen. Mützen, Kap- pen und schlichte Hauben waren im harten Arbeitsalltag nicht im Weg, erfüllten aber ihre Funkti- on. Eine Erfindung aus dem 17. Jahrhundert machte erst im 18 Jahrhunbdert karriere: der Kas- torhut, ein hoher und steifer Hut aus Biberfell bzw. Haarmischun- gen, der mit unterschiedlichsten, meist kleineren Krempen verse- hen wurde. Er ist der Vorläufer des Zylinders und war zunächst ein Hut der normalen Bevölke- rung, bei höheren Ständen bes- tenfalls als Reithut gebräuchlich. Das Militär war schon immer kreativ, was Kopfbedeckungen angeht. Schiffchen, Tschako oder Pickelhaube sind nur drei Bei- B arbara Böhnstedt „schöner Schmuck für starke Frauen“ individuell – inspiriert von der Natur Pyramide Schmuck-Kreation www.pyramideschmuck.de INNATEX OG 120 moa kD -rhajhürFeeuneid t smm noitkeollkrmemoS/ :ei NIn:nekcedtnt ezteJ d Onatx SeeaN T 52G 1 www .pant w. g 1ewtfirT olinos. 3 · D de ant@p olinosmanuf aktur fa gmbh ohhcu0 B9692- ellA/zlo ed.sonilotnap@ofnr · i 88

GUT BEHÜTET e d . b t e z . w w w spiele. Zwei militärische Hüte er- reichten allerdings wirkliche Be- rühmtheit. Der Dreispitz, ein Hut mit dreieckig hochgeklappter Krempe war bei Soldaten wie Of- fizieren im 17. und 18. Jahrhun- dert gleichermaßen verbreitet. Heute findet er sich nur noch im Karneval. Aus drei Ecken wurden später zwei. Bekannteste Träger des Zweispitzes sind Napoleon Bonaparte, bei dem die Spitzen zur Seite zeigten, sowie Arthur Wellesley, Duke of Wellington, der die Spitzen nach vorne und hinten trug. Neuzeit Das 19. Jahrhundert mit seinen starken gesellschaftlichen Ver- schiebungen gilt als das Jahrhun- dert der Hutmode. Es war zuneh- mend undenkbar, das Haus „oben ohne“ zu verlassen. Nicht nur die Kleidung, insbesondere die Kopfbedeckung war Ausdruck der Standes, in dem man sich be- wegte. Bauern und Arbeiter tru- gen einfache Mützen, im Som- mer Strohhüte als Sonnenschutz. Doch je höher der Stand, desto höher der Hut. Die Herrenhüte erreichten immer höhere Ausma- ße und zeigten so, dass ihr Träger nicht arbeiten musste, was er mit dem Hut auch nicht gekonnt hät- te. Außerdem lässt ein Zylinder den Träger nochmals größer er- scheinen als er tatsächlich ist. Nichts symbolisiert den Wohl- stand des Großbürgertums des 19. Jahrhunderts mehr als der Zy- linder. Doch auch Symbole kön- nen lästig werden, wohin mit dem hohen Hut bei Empfängen oder bei beengten Platzverhält- nissen? Die Lösung fand der fran- zösische Hutmacher Gibus mitte der 1830 Jahre. Er fertigte einen Zylinder aus Satin – nicht mehr aus edlem Haarfilz – und baute eine leichte Stahlfedermechanik ein, sodass sich dieser platzspa- rend zusammenfalten ließ und leicht unter dem Arm getragen werden konnte. Das klappende Faltgeräusch gab dem Hut seinen Namen: Chapeau Claque. Noch ein weiterer Hut sollte berühmt werden: der Kalabreser oder Heckerhut. Das ist ein ho- her, spitz zulaufender Filzhut mit breiter Krempe. Friedrich He- cker, der Revolutionär und De- mokrat, machte ihn 1848 popu- lär, weswegen er bis heute für De- mokratie und Freiheit steht. Es war nicht das erste Mal, dass Kopfbedeckungen als Gesin- nungszeichen dienten. Schon bei der französischen Revolution 1789 stand die rote Mütze der Ja- kobiner für Freiheit und republi- kanische Gesinnung. Die Damen trugen zu Beginn des Jahrhunderts zumeist die Schute, eine steife Haube mit gro- ßem, das Gesicht bedeckendem Schirm. Sie wurde mit Blumen, Bändern und Schleifen verziert. Mit dem Ende des Biedermeiers Mitte des 19. Jahrhunderts ver- änderte sich auch die Hutmode. Hauben galten als altmodisch, die Damen trugen nun „richtige“ Hüte, kleine Tellerhütchen und Strohhüte im Sommer. Der Hut ÖKOLOGIISCSCHH.. SSTTAAATLIC SSOOZZIIAALL.. ÖKOLOG ATLICHH.. UNABHÄNGIG ZERTIFIZIERT.. 70 % Merinowolle (kbT) zert. von Ecocert Greenlife, Liz.Nr. 151702 Zarte Farben, sanft zur Haut Pastellmint und Magnolie verspielt bedruckt oder in Uni sind die neuen Farben unserer wunderbar weichen und hautumschmeichelnden Babywäsche aus Merinowolle und Seide. Alle Engel-Produkte werden nach höchsten ökologischen Kriterien in Deutschland hergestellt. Engel GmbH Wäsche und Bekleidung aus Naturfasern Wörthstraße 155 72793 Pfullingen Tel. (0 71 21) 3 87 87- 7 www.engel-natur.de

GESCHICHTE DER BEKLEIDUNG wurde fester Bestandteil der mo- dischen Ausstattung. Eine schöne Ironie der Ge- schichte: ausgerechnet die Hut- form, die heute als Inbegriff des Herrenhutes gilt, war zu Anfang eine Kopfbedeckung der Frauen- rechtlerinnen. Sie übernahmen ihn von der Schauspielerin Sarah Bernhardt, die 1882 in der Rolle der „Fédora Romanoff“ einen weichen Hut mit breiter, hinten leicht aufgestellter Krempe trug. So hat der Hut seinen Namen er- halten: Fedora. 20. Jahrhundert Der Fedora trat Anfang des 20. Jahrhunderts einen Siegeszug an, der schnell auf die USA übergriff. Der Gangsterboss Al Capone wies in den 1920er Jahren seine Leute an, einen Fedora als Erkennungs- zeichen zu tragen um sich so von anderen Clans (und der zivilen Polizei) zu unterscheiden. Be- rühmtester Hersteller eleganter Fedoras ist sicher Borsalino. Zahl- reiche Schauspieler wie Humph- rey Bogart, Alain Delon oder Ro- bert Redford trugen Borsalinos. Und eben Al Capone. Die Damenwelt war zu An- fang des 20. Jahrhunderts auffäl- liger behütet. Große, reich mit Federn oder Blumen geschmück- te Hüte waren en vogue und stan- den im Gegensatz zur schlanker werdenden Silhouette der Klei- dermode. Sie wurden meist mit Hutnadeln in der Frisur befestigt und waren nicht so einfach auf- und abzusetzen ohne die Frisur zu ruinieren. Daher durften die Damen innerhalb der Räume den Hut aufbehalten, wohingegen Männer den Hut abzunehmen hatten. Eine Sitte, die sich bis heute gehalten hat. Allzu große Hüte und mehr- lagige Kleider sind ein wenig un- praktisch. Die sich zunehmend emanzipierenden Frauen sagten sich von der opulenten Mode los. Coco Chanel entwarf „das kleine Schwarze“, man tanzte Charles- ton und trug eine Kurzhaarfrisur und Topfhut, eine Filzkappe ohne oder nur angedeuteter Krempe, die über die Ohren und weit ins Gesicht gestülpt wurde. Sehr modern, sehr sportlich, sehr jugendlich, sehr praktisch. Ab den 1930er Jahren wurde die Hutmode kreativer und ex- zentrischer, es gab immer mehr Modelle mit asymmetrischer Form oder ungewohnten Propor- tionen. Aber der Krieg machte dem ein Ende, und in der Nach- kriegszeit waren eher Kopftücher zu sehen als teure Hüte. „Ohne Hut sind Sie nicht gut angezogen!“ Der Werbespruch aus den 1950er Jahren zeugt von der wirtschaft- lichen Erstarkung und zuneh- mendem Selbstbewusstsein. Qua- si als letztes Aufbäumen war der Hut nochmal deutlich sichtbares Modeobjekt. Kein Mann ging ohne Hut, Politiker wie Adenauer oder Churchill – beide Hom- burg-Träger – waren höchstens privat oder im Parlament ohne Kopfbedeckung zu sehen. Ähn- lich die Damen, die aus einer gro- ßen Auswahl verschiedenster For- men und Größen wählen konn- ten. Doch bereits Anfang der sechziger Jahre wurde der Hut seltener. „Mann“ ging zuneh- mend ohne Hut. Sean Connery trug zwar als James Bond noch einen Trilby, aber im Auto sind Hüte eher unpraktisch. Hinzu ka- men Haartollen und andere mo- dische Frisuren, die vom Hut ver- deckt wurden. Auch die Frauen fühlten sich ohne Kopfbedeckung wohl, der Hut und auch das Kopftuch verschwanden aus dem Alltag. Heute Nein, der Hut ist nicht totzukrie- gen. Er hat natürlich längst nicht mehr den Stellenwert von Einst, aber er war nie vollständig ver- schwunden. Immer wieder taucht er aus der Versenkung auf, zuletzt als Accessoire der Jugendmode wie der Trilby und der Anglerhut. Auf der Pferderennbahn gelten Damen ohne Hut heute noch als nicht gut gekleidet; Mützen und Kappen in unterschiedlichsten Formen und Farben sind wieder häufiger zu sehen. Kopfbede- ckungen sind fester Bestandteil der meisten Trachten und Uni- formen. Wir sollten uns häufiger der Schutzfunktion der Kopfbede- ckungen erinnern. Eine Hut- krempe macht die Sonnenbrille entbehrlich und hält die Brille und Haare bei Regen trocken. Hüte schützen vor UV-Strahlung und Kälte. Mit Kopfbedeckung ist man im besten Sinne gut be- hütet. Oliver Loos Pferderennen in Ascot – oder Keller aufgeräumt? Zylinder – zur Jahreszeit passen sie ja, aber ... 90

GUT BEHÜTET Sofort-Order Kleine Chronologie der Hüte (oder was man sich damals so auf den Kopf setzte) Das Nemeskopftuch war Zeichen göttlicher Herkunft Ludwig XI von Frankreich trug 1469 einen Hut, den wir heute Trilby nennen würden Anfang des 19. Jahrhundertss war die Schute die übliche Kopfbedeckung der Frauen, eine Haube aus Stroh oder Stof Hutmode um 1877: der Herr trägt Zylinder, die Dame einen Kapotthut Niemals ohne Hut. Al Cpone trug selbst auf Polizeifotos einen Fedora von Borsalino Traditioneller asiatischer Hut aus Reisstroh Ursprünglich ein Hut für Jadgaufseher zu Pferde: die Melone, entwickelt von den Hutmachern Bowler aus London Die prominenteste Hutträgerin des 20.Jahrhunderts hier mit einem blumen- geschmückten sommerlichen Strohhut Baumwoll- seidentücher 5,90 € Funny Girl INNATEX EG 81 Kollektion in 36 Farben www.funny-girl-mode.fashion123.de Tel. 030 33 00 69 34